Das Ressort

by Alphatier, © 2014*

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nosex, slow, F(38)/f(17), humil, celeb, tricked, teen

Sommer 2012. Zwei hübsche Teenager, eine davon ein Nachwuchstalent der Jugendschwimmmannschaft, auf dem Weg in den ersten Urlaub ohne Eltern und erwachsene Aufsichtspersonen. Alles läuft wie geplant, bis die beiden im Zug eine Bekannte mit düsteren Absichten treffen.


"Sie weiß nicht, wann die Frau diese Gräuelthaten anfieng, denn als Einbekennerinn zu ihr kam, hatte sie dieselben schon begonnen: aber die Darvolya hatte sie zur Grausamkeit angeleitet, und war ihre Vertraute. Das weiß und sah die Einbekennerinn, daß sie mit brennender Kerze den nackten Mädchen die Geschlechtstheile brannte."

- Zeugenaussage der 1611 zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilten Ilona Jó, Bedienstete der als Blutgräfin bekannt gewordenen Elisabeth Báthory


1. Zugfahrt

Das Abteil erstrahlte matt im fahlen Licht der Nachmittagssonne, während die Streben des Fensters lange seltsame kreuzförmige Schatten auf dem Inventar zeichneten.

Inmitten der Szenerie befand sich eine hübsche junge Frau mit dunkelblonden welligen Haaren, die sie zu einem Pferdeschwanz frisiert hatte. Sie saß friedlich auf einem der breiten Polstersitze und schaute auf das Display ihres Smartphones. Sie tippte etwas ein und lächelte, bevor sie das Gerät schließlich auf den freien Platz neben sich legte.

"Schöne Grüße und viel Spaß.", sagte sie und legte den Kopf schief, "Wir sollen aber nich‘ so übertreiben. Von Timo und Jenny."

Es kam keine Antwort und sie fuhr das lange schlanke Bein aus, um dem Kleiderbündel aus Jacken und T-Shirts auf der gegenüberliegenden Bank einen leichten Stups zu geben.

"Hey Leonie, haste gehört?", sagte sie und schaute, wie ein rotblonder verwuschelter Haarschopf zum Vorschein kam. Er gehörte zu einer etwa 16jährigen jungen Frau mit einem hübschen Gesicht mit blauen Augen und lustigen Sommersprossen.

"Jaa-ha.", meldete sich die Rothaarige mit verschlafener Stimme zu Wort, "schreib‘ ihnen zurück, Danke, und wie lange wir noch brauchen."

"Und wie lange ist das?", neckte die Angesprochene.

"Keine Ahnung, schreib‘ einfach irgendwas.", erwiderte Leonie und schälte sich weiter unter der Jacke hervor.

Die andere nickte und begann geschickt mit dem Touchpen über das Smartphone zu fahren. Leise bewegte sie dabei ihre Lippen, bis sie fertig war.

"Danke für eure Nachricht, es sind noch etwa fünf Stunden bis wir da sind, die Berge sind toll, wie im Märchen, liebe Grüße auch an Sabrina, ich hab‘ ihr ipod, haha, Leonie und Selina.", wiederholte sie schließlich wortgetreu das gerade eingetippte und schaute fragend zu Leonie herüber, "Gut so?"

"LG gleich Langweiler.", grinste Leonie und streckte Selina die Zunge heraus, wurde jedoch sofort wieder ernst und nickte bestätigend, "Ja, is ok."

Selina nickte zufrieden und tippte auf den Display.

"Hm.", sagte Selina schließlich, "kein Empfang."

"Dann eben später. Sind wir eigentlich schon über die Grenze?"

"Welche?",

"Haha.", sagte Leonie sarkastisch und zog eine Grimasse, "Nach Bulgarien natürlich."

"Nee, solange schläfst du noch nicht."

"Wie lange hab‘ ich?"

"Drei Stunden oder so."

"So wenig."

Leonie verdrehte die Augen und starrte resigniert an die Decke des Abteils. Selina vermutete, dass sie gehofft hatte, erst wieder in Varna aufzuwachen. Sie waren jetzt schon über 30 Stunden unterwegs. Zwölf bis Budapest, dann siebzehn bis Bukarest und seitdem waren weitere zwei dazugekommen. Der nächste große Halt, wo sie wieder Umsteigen mussten, würde Ruse in Bulgarien sein.

Ihr tat jeder mittlerweile jeder Knochen weh und sie wusste nicht, wie lange sie das noch aushalten würden bevor sie endlich in Varna ankommen würden. Und dann noch mal eine Stunde bis zu ihrem Zielort Albena. Als Leistungsschwimmerin war Selina Schmerzen gewöhnt, aber eine tagelange Bahnfahrt quer durch Europa war nichts, was sie sich so schnell wieder antun wollte.

Zuerst hatte sie noch die Landschaft genossen, die kleinen Bergdörfer und dichten Wälder entlang der Strecke, aber mittlerweile hatte sie genug. Einfach genug.

Sie fragte sich, wie Leonie so ruhig schlafen konnte, und begann, sich ihre Beine zu massieren, als sie merkte, dass der Zug langsamer wurde und schließlich still stand.

"Wo sind wir?", fragte Leonie und schaute aus dem Fenster, wo wieder nur einige verlassenen Bauernhäuser zu sehen waren.

"Wieder irgendso so ein Kaff.", antwortete Selina gelangweilt, "Keine Ahnung."

"Warum halten wir dann?"

"Wir halten hier dauernd. Du verpennst es nur."

Die beiden lachten und begannen ein Gespräch über die Sinnlosigkeit der dauernden Aufenthalte, wenn ja doch niemand ein- oder aussteigen würde. Leonie, die ihre Schlafphase jetzt anscheinend überwunden hatte, schlug vor, von jetzt an zu wetten, ob jemand zusteigen würde.

Sie verloren beide, denn in Veretesti, wie der letzte Bahnhof geheißen hatte, war entgegen ihrer Vermutung tatsächlich jemand zugestiegen. Eine mittelgroße Frau, Ende Dreißig, mit schwarzem Businesskostüm und einer irgendwie unpassenden Sporttasche, lief mit einem kurzen Seitenblick an ihrem Abteil vorbei.

"Die passt aber gar nicht hierher.", sagte Leonie und blickte aus dem Fenster, wo gerade einige ärmliche halbverfallene Häuser vorbeihuschten.

Selina dachte das gleiche. Die Frau sah auch gar nicht slawisch aus, sondern wie jemand bekanntes. Irgendwie vertraut.

Neugierig stand sie unter dem fragenden Blick Leonies auf, um ihr hinterher zu schauen.

"Irgendwie kenn‘ ich die.", sagte sie leise zu Leonie gewandt und schritt gleichzeitig zu der Schiebetür, als ein dunkler Schatten dort sie zurückschrecken ließ.

"Huaah.", sagte sie und hielt sich erschrocken die Hand vor die Brust.

Vor der Abteilscheibe stand die Frau von eben. Sie war offenbar zurückgekehrt und diesmal erkannte Selina sie sofort. Sie hatte vor zwei Jahren zum Betreuungsstab der amerikanischen Juniorennationalmannschaft bei der 3. FINA-Junioren-WM in Lima gehört, wo die Amerikaner ihr Quartier direkt neben den Deutschen gehabt hatten. Sie war eine der Mannschaftsärztinnen gewesen und Selina konnte sich erinnern, dass sie ziemlich streng zu ihren Schwimmerinnen gewesen war.

Selina versuchte ein Lächeln und starrte die Frau einen Moment nur an, bis sie an deren leicht genervten Gesichtsausruck begriff, dass sie hereingelassen werden wollte.

"Oh, tut mir Leid.", platzte es aus Selina heraus und sie schob hastig die Tür des Abteils auf, "kommen sie rein."

Die Frau lächelte jetzt ebenfalls etwas und trat herein. Sie schaute sich kurz um, und warf einen prüfenden Blick auf die immer noch verdattert da liegende Leonie, die noch unter dem chaotischen Stapel Kleidung auf der Sitzbank lag.

"Das ist Leonie.", sagte Selina schnell und warf ihrer Freundin einen vorwurfsvollen Blick zu, aufzustehen.

"An dich erinnere ich mich noch.", sagte die Ärztin schließlich in erstaunlich gutem Deutsch und mit nur schwachem Akzent, und einer Wärme, die Selina ihr nicht zugetraut hätte, "machst du die Tür bitte zu?"

"Äh, ja, klar.", gehorchte Selina, die sich jetzt leicht unter Druck gesetzt fühlte, und schob die Tür wieder zu.

Sie hatte eigentlich nur kurz schauen wollen, ob sie sich geirrt hatte und vielleicht kurz Hallo sagen. Sie wusste nicht mal mehr ihren Namen, um sie ansprechen zu können, aber die Ärztin schien ihr Verhalten als Einladung verstanden zu haben und Selina hatte keine Ahnung, wie sie die Frau wieder loswerden wollte.

"Du bist Selina, nicht? Selina Hocke, oder Hoppe richtig?", stellte sie mehr fest als sie fragte und schaute bereits wieder vorwurfsvoll zu Leonie, "Hallo Leonie."

Sie hielt ihr die Hand hin und es blieb der jungen Frau nichts weiter übrig als einzuschlagen, und den festen Händedruck der älteren zu erwidern.

"Würde es dir etwas ausmachen, dich neben Selina zu setzen.", redete die Ärztin sofort weiter, "Ich vertrage Bahnfahrten nicht, wenn ich nicht in Fahrtrichtung sitze."

"Hm, ok, aber ich ….", begann Leonie zu stammeln, "ich hab‘ nichts, also nur meinen BH ...."

Leonie lächelte verlegen und sandte einen hilflosen Blick zu Selina, die jedoch genauso hilflos daneben stand.

"Oh, dass macht mir nicht aus.", unterbrach sie die Frau jedoch sofort jovial, "in meinem alten Team hatte ich viele junge Frauen, oder meinst du wegen der Fenster?"

Sie blickte Richtung Gang und dann zu Selina, der sie auffordernd zunickte.

"Würdest du die Gardine zumachen, damit Leonie, sich dort rüber setzen kann? Danke."

Leonie merkte sofort, dass die Frau keine Widerrede kannte. Sie verstand nicht, woher Selina sie kannte, aber es musste etwas mit dem Schwimmen zu tun haben. Praktisch jeder, den Selina kannte, hatte etwas mit Leistungssport zu tun und benahm sich auch so.

Leider, dachte die junge Frau und seufzte resigniert. Die Begegnung vermasselte den Start in den Urlaub an der bulgarischen Küste mit Selina etwas. Keine Eltern, keine Tanten, kleinen Brüder, Schwestern oder nervenden Jungs für zwei Wochen war der Plan gewesen. Sie wartete, bis Selina die Vorhänge vorgezogen hatte und stand dann auf. Sie wollte eigentlich die khakifarbene Stoffjacke vor dem Körper belassen, aber sie spürte plötzlich, wie diese ihr geschickt aus der Hand gewunden wurde.

"Warte, ich nehme das.", hörte sie die Frau dazu freundlich sagen und ehe Leonie reagieren konnte, hatte die Frau bereits begonnen, auch die anderen Kleidungsstücke auf der Bank in die von Leonie abgekehrte Ecke der Sitzbank zu packen.

"Setz‘ dich doch. Beide.", sprach sie weiter und warf der jetzt ebenfalls stehenden Selina einen kurzen tadelnden Blick zu, bevor sie sich wieder Leonie zuwandte, "Ich bin übrigens Doktor Mitchell. Mannschaftsärztin und Fitnesstrainerin bei den Junioren unserer Nationalmannschaft."

Die Mädchen setzten sich etwas überrumpelt hin und schauten einen Moment zu der Ärztin, bevor diese sich ebenfalls setzte und die beiden eindringlich musterte.

Leonie wurde dabei schmerzlich bewusst, dass sie nur ihre blauen Addidas-Boxershorts trug und einen schwarzen Spitzen-BH, der mehr von ihren B-Cups sehen ließ, als er verhüllte. Sie hätte zu gerne wenigstens ihr T-Shirt angezogen, aber dazu hätte sie an Doktor Mitchell vorbeigemusst und das war ihr irgendwie unangenehm.

So saßen sie einige Augenblicke einfach nur da, bis die Ärztin plötzlich hell zu lachen begann.

"Oh, dass tut mir Leid.", sagte sie mit einem Lächeln und strahlte die beiden an, "ich mache doch keine Unannehmlichkeiten? Ich bin so froh, dass ich jemanden getroffen habe, den ich kenne."

Selina verneinte sofort und einen Tick schneller, als es Leonie recht war. Sie verstand natürlich, dass ihre Freundin gegenüber einer für ihre Karriere so wichtigen Person kaum unhöflich sein konnte, aber trotzdem wäre sie froh gewesen, wenn sie Doktor Mitchell nicht getroffen hätte.

Die Ärztin durchbrach ihre Gedanken.

"Du bist keine Leistungssportlerin.", stellte sie fest kritisch fest und schaute Leonie nachdrücklich an.

"N-nein.", gab diese zu und fragte sich sofort, ob mit ihrer Figur etwas nicht stimmte. Sie fand, dass sie etwas zu dicke Beine hatte, aber ansonsten war sie rundherum zufrieden.

"Du hast gute Anlagen.", führte die ältere Frau jetzt ungefragt aus, "aber sie liegen brach. Schade, hast du mal an Leistungssport gedacht?"

"Ähm, nein, ich glaube nicht, ich …"

"Wie alt bist du? 16, 17 …?"

"Sieb-, ja, Siebzehn.", stotterte Leonie überrumpelt.

"Ein bisschen spät, um mit dem Training anzufangen, aber mit einem fordernden Aufbauprogramm und Disziplin könnte ich dich weit voranbringen."

Leonie zuckte hilflos mit den Schultern.

"Hm, ich weiß nicht, ich glaube das ist nichts für mich."

"Ach was, stell dich mal hin."

"Wie bitte?"

Doktor Mitchell wiederholte ihre Aufforderung, so dass Leonie schließlich etwas durcheinander gehorchte und die Ärztin verwirrt anschaute. Aber die ließ sich nicht davon stören, sondern begann einen regelrechten Vortrag über Leonies herrliche Anatomie und warum sie so wunderbar für das Schwimmen geeignet wäre. Es dauerte mehrere Minuten und Doktor Mitchell fuhr dabei immer wieder wie selbstverständlich mit ihren Händen erklärend über den Körper der jungen Frau, um ihr zu zeigen, welche Sehnen, Muskelgruppen und Körperverhältnisse sie noch optimieren müsste. Es war ganz offensichtlich, dass Doktor Mitchell, die sich im Verlauf des Gesprächs als Orthopädin vorstellte, in ihrem Beruf völlig aufging.

Es kam Leonie dabei alles wie eine kleine Ewigkeit vor und sie war froh, als Doktor Mitchell sie wieder sitzen ließ und nach einer kurzen Denkpause, zu einem völlig anderen Thema wechselte.

"Ihr fahrt in den Urlaub?"

"Ja.", sagte jetzt Selina, während Leonie nur stumm und einigermaßen von dem Vortrag erschöpft dazu nickte.

"Ohne eure Eltern, offensichtlich.", sagte Doktor Mitchell jetzt leicht amüsiert und lächelte vielsagend, bevor sie weiterredete, "aber du bist doch noch im Schwimmprogramm des DSV, oder? Es wäre Wahnsinn ein solches Talent wie dich, nicht zu Höchstleistungen zu führen."

Selina grinste.

"Wasser ist mein Element. Ich werde solange weitermachen, wie es irgendwie geht."

"Das ist die richtige Einstellung.", sagte Doktor Mitchell tiefgründig und blickte aus dem Fenster, vor dem jetzt die hässlichen Reste einer ehemaligen Fabrik aus kommunistischen Zeiten zu sehen waren, "aber wo wollt ihr eigentlich hin?"

"Albena.", sagte Leonie jetzt immer noch etwas einsilbig, "In der Nähe von Narva."

Die Ärztin machte ein irritiertes Gesicht.

"Was denn.", fragte sie regelrecht besorgt, "um diese Jahreszeit? Da ist doch noch nicht mal warmes Wasser. Und die ganzen Umweltgifte, die sie dort einleiten."

Selina schluckte. Albena war eine Reise gewesen, die sie über einen der Sponsoren gekriegt hatte. Natürlich war es billig, aber entgegen den landläufigen Vorstellungen waren Sportler in Deutschland finanziell nicht besonders gut ausgestattet. Und sie hatte auch nicht gewusst, dass April keine gute Zeit für eine Reise dorthin war.

"Naja, ich, also wir ….", versuchte sie eine Erklärung, aber sie schämte sich jetzt etwas und beschloss das Thema zu wechseln, "wo wollen sie denn hin? Ich wusste nicht, dass sie hier Urlaub machen."

"Es ist auch kein Urlaub." holte Doktor Mitchell aus, "nicht direkt jedenfalls. Ich bin zur Zeit von der Nationalmannschaft freigestellt und gewissermaßen auf Talentsuche."

"In Rumänien?", fragte Leonie jetzt erstaunt und mit einem kurzen Seitenblick zu Selina.

"Ja.", antwortete die Ärztin jedoch nur kurz und mit einer solchen Selbstverständlichkeit, dass Leonie nicht weiter nachfragen wollte.

"Hm, schon jemand gefunden?", versuchte sie es daher indirekt, "die Gegend hier scheint mit nicht gerade vielversprechend zu sein."

"Doch, doch es läuft besser als ich gedacht hatte.", gab die ältere Frau lächelnd zurück, "natürlich nicht speziell in dieser Gegend, aber ich bin hier sowieso nur auf der Durchreise. In Sowesti, kurz vor der Grenze wartet ein Fahrer mit einem Auto auf mich."

"Ein Fahrer.", seufzte Selina, "Die Amerikaner zahlen wohl besser als wir."

"Nein, nein.", lachte Doktor Mitchell, "die Bezahlung ist lausig im Sport, außer man ist Vereinsboss. Auch bei uns. Aber ich arbeite gerade für eine internationale Privatorganisation und die zahlen wesentlich besser."

"Ach so, und was machen die?"

"Nun, erstmal bringen sie mich in das schönste, luxuriöseste und teuerste Privatsanatorium, auf dem ganzen Balkan, wo ich kurz die Ergebnisse meine Arbeit vorstelle und dann in der Abgeschiedenheit der Rhodopen tatsächlich meinen wohlverdienten Urlaub abhalte. Auf Kosten der Firma natürlich."

"Wow.", entfuhr es Selina, "da möchte ich auch mal hin."

"Von mir aus gerne.", antwortete Doktor Mitchell zur Überraschung der Mädchen wie beiläufig, "zur Zeit ist niemand da außer mir und einigen Angestellten, und sie haben Trainingsanlagen, von denen viele Länder nur träumen."

Für einen Moment waren die beiden Teenager wie vom Schlag gerührt, bis Selina ihre Worte wiederfand.

"Jetzt? Das ist doch ein Witz."

"Nein keineswegs, ich verstehe mich gut mit der Leiterin des Ressorts."

"Das wär so cool.", platzte es aus Selina heraus, und sie knuffte die noch etwas skeptisch dreinschauende Leonie in die Seite, "wär‘ das geil, oder was?"

Leonie wusste nicht, was sie sagen sollte. Monatelange Urlaubsplanung einfach so über den Haufen zu werfen erschien ihr irgendwie absurd, doch es war ganz klar, dass Selina nur noch auf ihr OK wartete. Und die Chance von einer drittklassigen Touristenabsteige in ein kostenloses Luxusressort zu gelangen, kam wohl nur einmal im Leben.

"Ich weiß nicht.", druckste sie schließlich heraus, "das können wir doch gar nicht annehmen und außerdem sind doch noch unsere Sachen im Gepäckwagen."

"Macht euch doch darüber keine Gedanken. Das Gepäck lassen wir nachsenden und ihr seid sehr willkommen. Wirklich, eure Anwesenheit wird uns Bezahlung genug sein und wenn du es nicht einfach so annehmen willst, wüsste ich auch schon was."

"Was denn? Wir haben nur jeder ein paar hundert Euro dabei.", sagte Leonie und fuhr sich mit beiden Händen durch das rotblonde Haar, "Und was ist mit unseren Eltern? Die drehen doch völlig durch. Wir müssen denen wenigstens sagen, wo das ist."

"Eure Eltern ruft ihr eben an und das mit dem Geld ist kein Problem. Das Ressort liegt bei Delchevo, im Südwesten Bulgariens und ist mit allem ausgestattet, aber für Kleinigkeiten könnt ihr ja zahlen, wenn ihr möchtet. Auf diese Weise ist es in jedem Fall billiger, als wenn ihr nach Albena gefahren wärt. Und, Leo, wenn du es nicht einfach so tun willst, dann tu mir einfach nur den Gefallen, dich trainieren zu dürfen. Dann habe ich wenigstens keine Langeweile im Urlaub."

"Mich trainieren.", fragte Leonie nach und lachte auf, "ich bin total unsportlich!"

"Ach was. Wir probieren es einfach mal. Was hast du zu verlieren?"

"Also ich würd‘s machen.", sagte Selina plötzlich mit wild entschlossenem Blick zu Leonie, "aber nur wenn du auch."

"Oh man, ich weiß nich‘ Lina.", antwortete diese, "das kommt jetzt alles so schnell."

Die Last der Entscheidung stand ihr ins Gesicht geschrieben und die Ärztin hatte Mühe, ein Lächeln zu unterdrücken.

"Apropos schnell.", warf sie daher ein, "ihr müsst euch vor Sowesti entscheiden. Das sind nur noch ein paar Kilometer."

Die beiden Mädchen schwiegen einen Moment ratlos, bis Leonie schließlich ihr Schweigen brach.

"Ok, aber ich bin halt echt nicht gut.", sagte Leonie erneut und es klang etwas eingeschüchtert.

"Das spielt doch keine Rolle.", antwortete Doktor Mitchell jedoch nur mit einem Lachen, "Ich betrachte es eben als Herausforderung und ich bin sehr gut in meinem Job. Aber ich würde euch jetzt raten, noch einmal schnell auf die Toilette zu gehen. Wir werden danach eine Weile unterwegs sein. Ich rufe inzwischen den Fahrer an und kläre das mit dem Gepäck mit dem Schaffner."

Sie straffte sich und stand auf.

"Also los. Wir sollten nicht trödeln."




2. Neuer Kurs

Zwanzig Minuten später standen die drei mit ihrem Handgepäck auf dem winzigen Bahnhof von Sowesti, der eigentlich nur aus einem Betonbahnsteig und einem vernagelten Bahnhofsgebäude aus dem letzten Jahrhundert bestand. Zur Überraschung der beiden jungen Frauen waren sie nicht die einzigen.

Zwei Mädchen mit gefärbten Haaren, Teenager wie sie, saßen auf einer kleinen Bank an der Seite des Hauses und blickten mit herablassender Neugierde zu ihnen herüber, bevor sie sich in das innere des Zuges begaben. Sie sahen aus, als ob sie das scheinbar völlige Fehlen von Fahrscheinkontrollen in dieser Gegend, für eine kostenlose Mitfahrt bis zum nächsten Halt ausnutzen wollten.

"Ganz schön was los hier.", witzelte Leonie düster.

Irgendwie gefiel ihr das ganze immer noch nicht. Sie hatte sich Hals über Kopf angezogen und war dann wie Selina zur Zugtoilette geeilt, während Doktor Mitchell sich um alles gekümmert und ihr Handgepäck zusammengeräumt hatte. Sie hatte jedoch leider nicht erreicht, dass der Schaffner das Gepäck herausgegeben hatte und ihre Eltern hatten sie auch nicht erreicht. Es gab einfach kein Netz in dieser gottverlassenen Einöde und die Ärztin hatte Leonie mit der Aussicht auf ein Autotelefon vertröstet.

Gedankenverloren blickte sie dem abfahrenden Zug hinterher und schaute zu ihrem alten Abteil, wo sie auf einmal zwei Gesichter erkannte. Es waren die beiden Mädchen vom Bahnsteig, die jetzt mit seltsamen Mienen zu ihr herüber starrten.

Irgendwie waren die beiden unheimlich und sie war froh, als der Zug mit ihnen davongefahren war. Selina hatte davon nichts mitgekriegt und war wegen ihres leichteren Gepäcks bereits mit Doktor Mitchell einige Meter voran, als die Ärztin sich plötzlich umdrehte und lächelnd zu einem Punkt zeigte, denn Leonie aufgrund des alten Bahnhofsgebäudes erst einige Schritte weiter einsehen konnte.

Und dann sah sie es auch. Ein schicker silberner Mercedes-Van mit getönten Scheiben, und nur wenige Meter entfernt, vor dem eine große blonde Frau in legerer Sportkleidung stand und zu ihnen herüberschaute. Das Auto passte nicht in diese heruntergekommene Einöde und wirkte wie ein Raumschiff.

"Das ist Svetlana, unsere Empfangschefin gewissermaßen.", sagte Doktor Mitchell mit Verschwörermiene und winkte gleichzeitig Leonie, sich etwas zu beeilen, "aber selbst wenn sie etwas anderes sagt, sie bevorzugt es, von Fremden nicht geduzt zu werden und, dass man sie Gospodarka nennt."

Selina, die neben ihr stand, nickte und lächelte etwas verunsichert, während Leonie nur stumm nickte. Die beiden wären nie auf die Idee gekommen, die auf sie wartende Mittvierzigerin zu Duzen. Sie wirkte mit den nackenlangen Haaren, die sie streng gescheitelt trug, fast ein wenig einschüchternd auf Leonie und sie verlangsamte unwillkürlich ihre Schritte etwas.

Diese Svetlana Gospodarka musste ungefähr 1,76 groß sein, da sie etwa genauso groß war wie Selina. Allerdings waren ihre Proportionen ausgeprägter als bei Selina und als bei ihr sowieso. Sie hatte eine breite Hüfte und eine schmale Taille, über welche schwere Brüste thronten. Leonie schätzte unterbewusst auf eine 90C oder sogar D-Größe.

Selina und Doktor Michell waren derweil am Fahrzeug angekommen, wo die Fahrerin sie mit die Ärztin und Selina mit einen unerwartet freundlichen Lächeln begrüßte. Sie schien sich mit Doktor Mitchell gut zu verstehen und nannte sie beim Vornamen, welcher sich wie Elizabeth anhörte. Dann wechselten die beiden erwachsenen Frauen einige Worte in einer Sprache, die Leonie nicht verstand, aber sich slawisch anhörte. Das Gespräch war jedoch nur kurz und gleich darauf nahm Svetlana, der geduldig wartenden Selina den Rucksack und die schwere Reisetasche ab und verstaute sie zusammen mit Doktor Mitchell’s Sporttasche im Heckstauraum des Fahrzeugs.

Leonie wollte noch schnell ihr Portmonee, Papiere und den neuen Mp3-Player herauskramen, aber sie fand nur Selinas iPhone in dem Chaos, dass entstanden war, als Doktor Mitchell ihre Sachen schnell zusammengepackt hatte, während die beiden zur Toilette gehastet waren.

Mist, dachte sie. Sie hätte am liebsten weitergesucht, aber Svetlana kam bereits auf sie zu und nahm ihr mit einem freundlichen, aber bestimmten Nicken, die schwere Umhängetasche und den kleinen Reisekoffer ab.

"Kann ich den nicht behalten? Ich muss nur noch was suchen."

"Tut mir leid, junges Fräulein.", sagte sie mit schweren osteuropäischem Akzent und entwand Leonie das Gepäck, "Das ist zu gefährlich schwere Sachen im Fahrzeug zu haben. Die können rumfliegen wenn ich bremsen muss."

Sie drehte sich um, ohne weitere Worte von Leonie abzuwarten, und packte die Gepäckstücke in den Stauraum zu den anderen Sachen, bevor sie die Heckklappe mit einem dumpfen Knall zuschlug.

Dann ging sie um das Fahrzeug herum und blickte erwartungsvoll zu den beiden Mädchen.

"Einsteigen bitte.", sagte sie und öffnete die seitliche Schiebetür des Fahrzeugs, wo sie eine gediegene Lederausstattung sahen.

Die Mädchen sahen sich kurz an und hüpften in den Wagen.




3. Im Wagen

Die erste Stunde der Fahrt war relativ ereignislos verlaufen. Sie hatten einige nette, aber belanglose Gespräche geführt, in denen sie sich einander vorgestellt hatten und über die malerische bergige Waldlandschaft gesprochen hatten, die kilometerweit völlig unbewohnt zu sein schien. Leonie und Selina hatten erfahren, dass der Nordwesten Bulgariens, den sie mittlerweile erreicht hatten, seit dem Ende des Kommunismus vor zwanzig Jahren völlig entvölkert worden war, weil die Lebensbedingungen auf dem Land so schlecht geworden waren, dass nur noch die Alten zurückgeblieben waren.

Sie hatten zu ihrem Schrecken auch erfahren, dass der Ort in den Rhodopen, wo das Ressort lag, noch etwa drei Stunden entfernt war und dass es kein Autotelefon gab, weil Svetlana nicht mit der Limousine, sondern dem Van gekommen war.

Sie hatten es erst nicht so wichtig genommen, denn Leonie hatte darauf gehofft, dass das Funknetz bald wieder funktionieren würde, aber ihr iPhone bekam einfach kein Signal und der Akku hatte sich beim Spielen schneller entleert als gedacht. Und das Ladekabel mit dem Anschluss für den Zigarettenanzünder war natürlich irgendwo im Gepäck im Kofferraum.

"Das war‘s.", sagte Selina mit einem Grinsen und reichte ihrer Freundin das iPhone, mit dem sie gespielt hatte.

"Alle?"

"Jepp."

"Hm.", entfuhr es Leonie leicht verärgert, "Hast du noch mal …"

"Jepp, kein Empfang."

"Das ist doch nicht normal.", sagte Leonie leise und verzog das Gesicht zu einer Grimasse, "Was ist denn das für ein Land?"

Sie hatte nicht gedacht, dass die Telefonverbindung in Bulgarien so schlecht sein würde. Nichts hatte davon in den Reiseführern gestanden, die die beiden Mädchen wochenlang gewälzt hatten.

"Doktor Mitchell?", fragte sie daher die Ärztin, die vorne auf dem Beifahrersitz saß und irgendwelche Unterlagen studierte, "Ist das hier überall so mit den Funklöchern?"

Es dauerte einen Moment, bis die angesprochene sich umdrehte. Doktor Mitchell lächelte und machte ein betroffenes Gesicht.

"Tut mir leid, Handynetzausfälle sind keine Seltenheit in den Grenzregionen, die immer weniger bevölkert sind. Dazu kommen oft unzuverlässige und korrupte Anbieter. Dazu Diebstähle von Handymasten, um die Technik und das verwendete Metall weiterzuverkaufen. Heute ist es allerdings besonders schlimm."

"Was macht man denn dann, wenn man mal telefonieren muss?"

"Man nimmt das Satellitentelefon. Wir haben deswegen auch alle Limousinen damit ausgestattet, aber leider nicht die Vans und Transporter."

"Und ist das nur hier so, oder auch in diesen Rho- … "

"Rhodopen."

"Ja genau. Also ist es dort auch so schlimm? Ich meine, reiche Leute werden doch höhere Ansprüche haben."

"Natürlich.", sagte Doktor Mitchell und lachte kurz auf, "aber wir haben auch dort ein eigenes Satellitenkommunikationssystem, damit wir nicht auf die nationalen Telefongesellschaften angewiesen sind. Unsere anspruchsvollen internationalen Kunden würden uns das sonst auch kaum durchgehen lassen."

Leonie begriff nicht, dass nicht mehr in die Handynetze investiert wurde, wenn es so schlimm war, aber es gab im Moment wohl nichts, was sie dagegen tun konnten, als zu warten. Zu warten, wie schon seit anderthalb Tagen. Ihr war langweilig.

"Und was sind ihre Kunden so für Leute?", fragte sie daher und versuchte eine bequemere Stellung auf der Sitzbank zu finden.

"Es gibt eigentlich keine Gemeinsamkeit.", antwortete die Ärztin mit einem Schulterzucken, "In der Regel Leute mit viel Geld oder Bekannte und Freunde von ihnen, Prominente …"

"Promis?", unterbrach Selina sie interessiert und streckte den Kopf ein wenig vor.

Nicht, dass sie sich besonders für die Klatsch- und Tratschwelt der Stars und Sternchen interessierte, aber vielleicht war es ja irgendein cooler Schauspieler oder Sänger, von dem die Rede war. Auch Leonie horchte auf, auch wenn sie versuchte, ihr Interesse hinter Gleichgültigkeit zu verbergen.

"Ja, warum nicht?", lachte Doktor Mitchell, "du bist doch jetzt auch hier."

Selina lachte verlegen und machte eine abwehrende Handbewegung.

"Ich bin höchstens bekannt unter Sportfans.", sagte sie, "Auf der Straße hat mich noch keiner erkannt."

"Du unterschätzt dich und dein Potential bei weitem.", erwiderte Doktor Mitchell, "Ich bin mir sicher, dass es seit langem Leute gibt, die auf dich aufmerksam geworden sind."

"Meinen sie?"

"Sicher.", sagte Doktor Mitchell und drehte sich mit einem Lächeln zu Svetlana, und wechselte einige schnelle Worte in Bulgarisch mit ihr, woraufhin beide lachten.

Selina lächelte höflich mit und wartete auf eine Übersetzung, die jedoch nicht kam.

Sie räusperte sich und begann, weiter zu sprechen.

"Ähm, was für Promis sind es denn so?", fragte sie mit einem aufmunternden Lachen und schaute Doktor Mitchell, die sich bereits wieder umgedreht hatte, unschuldig an.

Selina hoffte, dass es jemand war, denn sie kennen würde, doch sie wurde enttäuscht, denn die Ärztin zählte nur einige fremdländische Namen auf, die der jungen Frau kein Begriff waren. Nur ein deutsch klingender Frauenname, Jessica irgendwer, war dabei und diese sagte ihr nichts.

"Keine Männer?", mischte sich die bis jetzt eher teilnahmslose Leonie ein und grinste mit einem verschwörerischen Seitenblick zu Selina, die etwas errötete.

Doktor Mitchell lächelte und grinste die beiden an.

"Gut aufgepasst.", sagte sie und wurde ernst, "Es ist ein All Womens Club."

"In echt?", staunte Leonie und versuchte sich ein Grinsen zu verkneifen, während Selina sie etwas säuerlich ankuckte.

Leonie hatte nur einen Witz gemacht, weil die Namen für sie irgendwie alle weiblich geklungen hatten, aber offenbar hatte sie ins Schwarze getroffen. Doch auch Selina schaute verblüfft zu der Ärztin herüber.

"Ja.", sagte Doktor Mitchell lachend, "Das Ressort ist ein Ort, wo sich Frauen unbeeindruckt von gesellschaftlichen Normen ihrer Regeneration und dem Training widmen sowie auf ihre Aufgaben konzentrieren können. Es mag euch lächerlich erscheinen, aber es gibt viele Orte in der Welt, wo eine solche Einrichtung auch mit viel Geld undenkbar wäre und dementsprechend hoch bezahlt wird."

Die Ärztin bemerkte die feine Spannung, die ihre Worte zwischen den beiden jungen Frauen ausgelöst hatte und überlegte, was die Ursache dafür war. Sie hatte einen Verdacht und überlegte einen Moment, bevor sie scheinbar arglos zu sprechen fortfuhr.

"Hätte ich das erwähnen sollen?"

Es war eine simple Frage, aber sie zeigte ihr, was sie wissen wollte. Denn während Leonie nur mit den Schultern zuckte, reagierte Selina leise aber verräterisch.

Sie sagte zwar ebenfalls nein, aber ihre körperliche Reaktion sprach Bände. Es war nur ein feines irritiertes Flackern in den Augen, aber es reichte Doktor Mitchell, um ihren Verdacht zu bestätigen.

Leonie war mit Sicherheit bisexuell oder sogar lesbisch. Ihr Desinteresse an der Tatsache, dass es in dem Ressort keine Männer geben würde, war offenkundig. Sie trug auch keinen Ring, der auf einen Freund hingedeutet hätte und da war der Mangel an Interesse am anderen Geschlecht für eine 17jährige heterosexuelle Frau in höchstem Maße untypisch.

Selina, die ebenfalls keinen Ring trug, hatte dagegen wohl gehofft, den vermutlich ersten unbeaufsichtigten Urlaub zum Flirten mit Jungs zu nutzen. Doktor Mitchell wusste nur zu gut, wie das Leben junger Leistungssportlerinnen aussah und wie wenig Freiraum es bot. Die Trainingspläne waren vergleichsweise hart und ließen kaum Zeit für ein Privatleben. Die Ärztin wusste aus Erfahrung auch, dass Selina mit sechzehn Jahren in einem für sie selbst und ihren Trainer schwierigen Alter war und es vermutlich ein Kampf gewesen war, dass sie überhaupt diese Reise hatte antreten dürfen. Es war offensichtlich, dass sich unter der warmherzigen süßen Oberfläche eine durchsetzungsfähige Person verbarg, die durchaus wusste, was sie wollte.

Dieser Gedanke gefiel Doktor Mitchell ausgezeichnet und sie beschloss, die junge Frau etwas zu beruhigen. Es gab keinen Grund, sie von vornherein gegen den Aufenthalt im Ressort aufzubringen.

"Keine Angst.", sagte sie daher an Selina gewandt und zwinkerte mit den Augen, "Einige männliche Wesen gibt es natürlich schon und in Delchevo sind ein paar nette Clubs."

Daraufhin machte sich ein scheues Grinsen und ein leichter Anflug von Röte auf Selinas Gesicht bemerkbar, während Leonie dazu nur mit gespielter Theatralik mit den Augen rollte.

"Dann ist ja alles in Ordnung.", fügte sie ironisch hinzu und kassierte dafür einen Knuff in die Seite von ihrer Freundin, der die Offensichtlichkeit ihrer Gedanken offenbar sehr peinlich war.

"Wie war gleich der deutsche Name nochmal, den sie gesagt hatten?", versuchte Selina ein anderes Thema anzuregen, "Nadja Mier- … ?"

Es interessierte Selina nicht wirklich, aber es war das einzige, was ihr gerade einfiel.

"Nadine Mierdorf?"

"Ja, genau."

"Kennst du sie?"

"Nein gar nicht.", sagte Selina und auch Leonie schüttelte den Kopf.

"Sie war Journalistin und Moderatorin, bei N24 und vorher bei Sat1, ihr habt sie bestimmt schon mal gesehen. Eine sehr hübsche Blonde. Groß, um die dreißig.", führte Doktor Mitchell aus und lächelte, "sehr arrogant am Anfang, aber in unserem besonderen Umfeld änderte sich dies schnell. Du kennst sie wirklich nicht?"

Selina schüttelte den Kopf. Sie hatte einen kleinen Fernseher, aber sie schaute nur selten fern. Sie hatte keine Zeit dafür, außer ab und zu für einige Ausschnitte über Schwimmsportler und Wettkämpfe, die ihr Trainer oder Freunde empfahlen. Ansonsten benutzte sie manchmal den Fernseher ihrer Mutter Andrea, aber das war es dann auch schon.

Für einen Moment fühlte sie sich etwas uninformiert, doch auch Leonie kannte sie offenbar nicht. Und nach einer Weile erstarb die Unterhaltung und nach einer weiteren halben Stunde ereignisloser Fahrt durch die Wälder, begann Selina sich unwohl zu fühlen.

Ihre Zweifel lagen nicht an dem Ressort. Svetlana hatte ihnen einen edlen ledergebundenen Hochglanzprospekt gegeben, der die mit goldenen Lettern eingestanzte Aufschrift "Elizabeth Báthory"-Ressort trug. Darunter ein ebenfalls gestanztes Wappen, jedoch in Silber. Es zeigte eine Art Schild mit drei großen Zacken, um den herum ein Salamander geschlungen war.

Die Gestaltung des Inneren war genauso gediegen. Gleich auf der ersten Seite war eine Art Einleitung mit goldener Schrift und daneben einige Portraitfotos, die offenbar die Leitung und Angestellten des Ressorts zeigten.

Zu Selinas Überraschung zeigte gleich das zweite Bild Doktor Mitchell und sie sah zum ersten Mal ihren vollen Namen, da er in Klammern in Englisch aufgeführt war.

Elizabeth Maresal Mitchell.

Dahinter eine Jahreszahl, die wohl das Geburtsdatum sein mochte. 1974. Wenn das stimmte, war Doktor Mitchell jetzt 38 Jahre alt und Selina musste sagen, dass sie sich echt gut gehalten hatte, selbst wenn man berücksichtigte, dass sie wahrscheinlich ihr Leben lang intensiv Sport betrieben hatte.

Die anderen Fotos zeigten ganz oben eine ältere Frau mit schütterem Haar, deren Name mit Biljana Plavšić angegeben war und dann weiter unten Svetlana, deren Nachname offenbar Nikolova anstatt Gospodarka war, und noch eine junge etwas brutal aussehende Schwarze mit kurzen Haaren und wulstigen Lippen. Als Name war nur das Wort Tanda angegeben und es war unklar, ob es überhaupt ein Name oder eine Funktion war.

Der Rest der Broschüre war zwar ebenfalls nur in Bulgarisch abgehalten, aber die Bilder waren fantastisch. Eine Außenaufnahme zeigte mehrere moderne Gebäude, die aber im traditionellen Stil gestaltet waren. Laut anderer Bilder handelte es dabei um ein großes mondänes Hotelgebäude, Trainingsstätten und Stallungen inmitten eines ausgedehnten Waldgebietes. Es gab eine Schwimmhalle, die verschiedenartigsten Trainingsräume, eine Sauna und sogar eine Innenreithalle. Alles sah unfassbar teuer aus und Selina fragte sich, wie sie und Leonie dort hineinpassen sollten.

Es war wie aus einer anderen Welt und obwohl sie durch ihre Stellung im Kader der Schwimmjunioren einigen Komfort und Privilegien gewohnt war, war das hier atemberaubend.

Leider konnten sie keinen der Texte lesen, aber bei einigen Sachen konnte man sich in etwa denken was gemeint war. So war auf den letzten paar Seiten eine Art Gästebuch. Weitere Schwarzweiß-Passbilder von dutzenden Mädchen und Frauen verschiedenen Alters waren aufgeführt und daneben offenbar Kommentare von ihnen über das Ressort. Etwas ungewöhnlich war, dass es jeweils zwei Bilder der gleichen Person nebeneinander waren, wobei sie, soweit man das erkennen konnte, einmal in legerer Freizeitkleidung und dann in einer Art strengem Businesskostüm mit knappem hochgeschlossenem Kragen zu sehen waren. Es sah aus, wie bei einem hochwichtigen Geschäftstreffen.

Leonie und Selina wunderten sich über die meist fröhlichen Gesichter auf der linken und dann wieder merkwürdig ernst und verschlossenen Gesichter auf der anderen Seite. Sie vermuteten, dass es sich um untere Angestellte handeln müsste. Dazu passten auch die Geburtsdaten, die alle etwa zwischen 1970 und 2000 zu liegen schienen.

Jedoch konnte sich insbesondere Selina nicht vorstellen, dass in einem solchen Ressort jemand arbeiten würde, der nicht älter als ihre gerade 14jährige Schwester Sabrina war. Doch die jüngste Person in der Liste war tatsächlich eine 1999 geborene schwarzhaarige13jährige mit braunen Augen, die verstört in die Kamera blickten. Andererseits war Bulgarien doch ziemlich arm und vielleicht versuchte sie hier Arbeit zu finden als Zimmermädchen oder ähnliches. Mitleidig schaute Selina zu Leonie, die wohl das gleiche dachte.

Sie konnten sich wirklich glücklich schätzen, dass sie es so gut und eine gesicherte Zukunft vor sich hatten.

"Da merkt man, was man hat.", sagte Selina mit einer Spur von Bedauern und blätterte weiter, während Leonie still nickte.

"Aber eine gute Werbung ist das nicht wirklich.", sagte diese und zeigte plötzlich auf ein Foto einer hübschen Blondine, "Nadine Mierdorf."

"Tatsächlich.", sagte Selina überrascht und sie erkannte die Reporterin jetzt auch vom Fernsehen, "und sie trägt auch so ein Lederkostüm."

"Komisch, oder? Das sieht voll unbequem aus."

"Echt, und ich kenne sie übrigens doch. Fällt mir aber jetzt erst ein, wo ich sie sehe. Meinst du, sie hat hier gearbeitet? Kann ich mir kaum vorstellen."

"Frag doch."

"Ich will nicht schon wieder nerven. Ich glaube aber eher, dass ist einfach so eine Veranstaltung, wo corporate identity, also das Zusammengehörigkeitsgefühl gestärkt wird. Wir sollten vom DSV auch mal sowas machen, aber es wurde dann irgendwie nichts."

"Zum Glück.", sagte Leonie und musste kichern, "es sieht nicht aus, als ob sie sehr begeistert wäre."

Das war eine Untertreibung und Selina musste grinsen.

"Ich sah auch mal so aus, als ich ein Fotoshooting für meinen Sponsor machen musste. Der Fotograf war so ein ätzender Typ. Ich glaub, der wollte was von mir."

Sie lachte und schlug die Broschüre zu.



4. Ankunft

Leonie nickte anerkennend mit dem Kopf als der Van durch ein großes gußeisernes Tor in einem langen Maschendrahtzaun fuhr und sich vor ihnen ein kleines bewaldetes Tal mit einem gleichzeitig modern und traditionell wirkenden Gebäudekomplex einfuhr.

Es wirkte wie ein spätmittelalterliches Gut, doch es war ganz offensichtlich mit viel Geld ins 21. Jahrhundert katapultiert worden und entschädigte sicherlich für die weitere Stunde Fahrt, die sie gebraucht hatten, um hierher zu kommen.

Ein krasser Kontrast zu der restlichen Armut, dachte dann Leonie kurz und blickte zurück durch die Heckscheibe, wo sich jetzt in der Ferne das gußeiserne Tor wie von Geisterhand schloß. Das Mädchen dachte für eine Sekunde an Vampire und mysteriöse auf- und zugehende Türen und lachte dann über ihre Fantasie.

"Das sieht aus wie in einem Vampirfilm.", sagte sie jedoch und blickte auf ein hohes zweistöckiges Haus mit gotischen Spitzfenstern, vor dem der Van jetzt anhielt.

"Keine Angst.", ließ sich Doktor Mitchell vernehmen, "ich kann dir versichern, dass Vampire das letzte sind, was ihr hier fürchten müsst.

Selina grinste von der Seite.

"Wollen wirs hoffen", sagte sie dann und blickte nach draußen, wo jetzt eine junge ausgesucht hübsche, aber seltsam emotionslos wirkende Blondine in einem der Lederkostüme, die sie in dem Prospekt gesehen hatten, auf den Wagen zueilte und Doktor Mitchell vorne die Tür öffnete.

Sie griff ohne viel zu reden nach dem schweren Gepäck und eilte damit in Richtung des zweistöckigen Hauses, wo man jetzt ein mit einer Glasfassade abgetrenntes Foyer sah.

"Wir können das selber tragen.", sagte Selina und schaute verlegen zu Leonie, doch Doktor Mitchel grinste nur.

"Es gibt später noch genug Gelegenheit, euch nützlich zu machen.", sagte sie und zeigte zu dem Foyer, "Kommt."

Das innere des Gebäudes war genauso mondän ausgestattet, wie das Äußere verhieß. Das Foyer war atemberaubend. Elegante Skulpturen und Schnitzereien aus mehreren Jahrhunderten schmückten die hohen holzgetäfelten Wände. Einige exotische Pflanzen, die Selina nicht kannte, rankten sich an dem Geländer einer breiten Treppe, die irgendwo nach oben führte empor.

"Wow!", entfuhr es ihr und sie blieb stehen, "das sieht aus, wie aus einem Film."

Elizabeth lächelte.

"Freut mich, dass es dir gefällt.", sagte sie, "eine gute Freundin von mir hat vor zehn Jahren das Innendesign gemacht."

"Es sieht total cool aus.", strahlte Selina und schaute zu Leonie, die sich ebenfalls beeindruckt umschaute, "aber ich dachte, das hier ist wesentlich älter."

"Ist es auch, aber es wurden bauliche Veränderungen vorgenommen."

"Ach so.", nickte die Schülerin verstehend, "So alte Sachen müssen ab und zu mal erneut werden. Unser Haus ist auch schon ziemlich baufällig."

"Oh.", entfuhr es Elizabeth, "es war nicht baufällig. Aber einige der Kunden wünschten etwas anderes."

"Ok, die Leute scheinen eine Menge Geld zu haben."

"Haben sie. Einige gehören zu den reichsten Menschen der Welt und ihre exotischen Wünsche sind ihnen Unmengen von Geld wert."

"Was zum Beispiel?", meldete sich Leonie zu Wort und grinste, "hier scheint’s alles zu geben."

"In der Tat.", lachte Elizabeth, "hier ist alles möglich. Eine südafrikanische Fürstin zum Beispiel, hatte sich während eines Auslandsaufenthalts in eine Schweizer TV-Moderatorin und Diplomatentochter verguckt und ließ uns hier ein einzigartiges Szenario schaffen, um die junge Dame für sich zu gewinnen. Ein anderer besonderer Fall, war eine Mutter, die hoffte, dass sie mit einem längeren Urlaub hier, ihrer Stieftochter die Angst vor Pferden nehmen könnte und diese zu einer erfolgreichen Reiterin, wie ihre Mutter, werden würde. Es hat uns einige Zeit und Mühen gekostet, aber letztendlich waren unsere Experten erfolgreich, das Problem der Tochter als auch der Mutter zu lösen. Aus dieser Zeit ist übrigens der Pferdestall und die großen Hallen."

"Da könnte man mich gerne zu zwingen.", grinste Leonie, "ich mag Pferde."

"Sehr gut.", antwortete die Ärztin und lächelte, "werden wir berücksichtigen. Vorausgesetzt es gibt keine anderen Buchungen und dein Trainingsplan lässt es zu."

Leonie starrte sie überrascht an.

"T-trainingsplan?", stammelte sie.

"Dein Schwimmtrainingsplan.", sagte Doktor Mitchell als wäre es das normalste der Welt, "wir hatten doch vorhin darüber gesprochen."

Leonie hüstelte und schaute zu Selina, die verlegen wegschaute. Sie hatte gehofft, dass die Ärztin vorhin im Zug nur gescherzt hatte oder es vergessen würde, doch offenbar war es ihr ernst. Sie hatte überhaupt keine Lust darauf, fühlte jedoch, dass sie der Trainerin etwas für den Aufenthalt hier schuldete.

"Hm, stimmt ja.", sagte sie daher etwas unglücklich, versuchte aber vom Thema abzulenken, "und was wurde aus ihr? Der Diplomatentochter. Nahm sie das, ähm ... Angebot an? Ich meine, sie war ja wahrscheinlich nicht ... hm"

Sie lachte auf und kratzte sich verlegen am Kinn.

"Lesbisch?", fragte Doktor Mitchell, "Nein war sie nicht. Wie so vieles andere auch nicht, aber wir konnten sie dennoch überzeugen."

"Ehrlich?", warf Selina seufzend ein, "das muss echte Liebe gewesen sein. Ich könnte mir gar nicht vorstellen, meine Schwimmkarriere aufzugeben."

"Käme das nicht auf die Umstände an?", sagte Doktor Mitchell gedankenverloren, "Und vielleicht könnte man das vereinen. Geld, Willen und Ressourcen machen vieles möglich."

"Hm, ok, aber ich weiß nicht.", suchte Selina nach einer Antwort, "Ich bin eh noch zu jung dafür."

"Du scheinst mir alt genug zu sein, um selbst zu entscheiden.", sagte die Ärztin ernst, "mit 16 ist man kein Kind mehr."

Selina lachte.

"Sagen sie das mal meiner Mom."

"Das werde ich."

"Ok.", sagte Selina unsicher und grinste weiter, "besser nicht. Ich wette sie würde ausflippen, wenn ich mit einer afrikanischen Fürstin durchbrenne."

Doktor Mitchell lachte ebenfalls.

"Nicht alle unsere Fälle sind so spektakulär.", sagte sie und schüttelte den Kopf, "die meisten unserer Kundinnen wollen hier nur ausspannen und für eine Zeit lang ganz sie selbst sein, ausspannen und all ihre Fantasien ausleben, ohne sich dafür verantworten oder rechtfertigen zu müssen."

"Hört sich heiß an.", grinste Leonie, "ein toller Ort für Frauen."

"Aber nur wenn man lesbisch ist.", warf Selina ein wenig vorwurfsvoll ein und grinste wehmütig, "es gibt gar keine Männer hier."

"Nun, ich hoffe, dass dir das den Aufenthalt nicht verdirbt.", sagte Doktor Mitchell und holte jetzt eine kleine Kamera aus ihrer Tasche, "Aber ich würde gerne noch ein Foto von euch machen. Für unsere Chronik."

Die Mädchen grinsten und Doktor Mitchell dirigierte sie vor eine Wand, wo sie die beiden hübschen Teenager nacheinander fotografierte. "Ihr bekommt die Abzüge in ein paar Tagen.", sagte plötzlich eine Stimme mit schwerem osteuropäischem Akzent hinter ihnen und die beiden Mädchen fuhren erschrocken herum.

Leonie sah eine ältere kräftige etwa 1,70 große Frau mit dichten schwarzen Haaren und für einen Moment musste sie an die merkwürdigen vorher-Nachher Bilder aus dem Prospekt denken. Sie kam sich jedoch sogleich dumm vor, als sie sah, wie die Frau jetzt warmherzig lächelte.

Komisch war jedoch, dass hinter ihr ein höchstens 16 Jahre altes, sehr hübsches, schwarzhaariges, italienisch aussehendes Mädchen mit großen braunen Augen und in einer Art Dienstmädchenuniform mit einem schwarzen Chokerhalsband stand, welches wie die ganze Uniform unheimlich eng, beinahe zu eng, geschnitten schien. Mit leerem Blick stand der Teenager einfach nur da und schaute mit auf dem Rücken verschränkten Armen schweigend zu Boden.

"Ich bin Madame Tadic, die Cheftrainerin. Ich mache heute das Foyer für Svetlana.", sagte jetzt die Frau, bevor Leonie weiter darüber nachdenken konnte und nickte zu der Fahrerin, die bis jetzt nichts gesagt hatte, "Willkommen im Elizabeth Báthory-Ressort."




Madame Tadic drehte sich zu dem Mädchen und sagte unwirsch etwas in ihrer Sprache und ließ sich zwei Hefter geben, die das Mädchen auf dem Rücken gehalten hatte.

"Hier.", sagte Tadic wieder sehr viel netter und reichte die Hefter und je einen Stift an Selina und Leonie, der nicht ganz gefiel, wie streng die Frau zu dem Mädchen war, "Die müsstet ihr ausfüllen."

"Was ist das?", fragte Leonie und griff nach dem Hefter.

"Das ist nur zum Einchecken.", sagte Doktor Mitchell schnell, welche die kleine Spannung bemerkte und lachte, "Und ein paar Fragen. Um auf alle Kundenwünsche eingehen zu können und auch für die Versicherung."

Die beiden Mädchen sahen sich an und zuckten dann mit den Schultern. Es klang etwas seltsam, aber noch seltsamer war, als Tadic zu einer ungewöhnlich massiv aussehenden Tür hinter der Rezeption zeigte.

"Ihr bekommt übrigens Freizeitkleidung angepasst.", sagte sie und nickte zu dem Mädchen, "Fica wird euch führen und dort habt ihr auch Gelegenheit, die Fragebögen auszufüllen."

Es war trotz aller Freundlichkeit ein Ton, der keine Widerrede duldete und Leonie und Selina folgten dem immer noch schweigenden und auf den Boden blickenden Mädchen zu der Tür, während Tadic und Mitchell zurückblieben.

Leonie blickte sich noch einmal um und glaubte ein merkwürdiges Lächeln zu erkennen, wurde dann aber abgelenkt, als Selina ihr vorsichtig in die Seite stieß.

"Guck mal!", flüsterte sie und zeigte zu dem völlig überbetont hin und herschwankenden Po des Mädchens, der unter dem engen schwarzen Minirock jetzt zur Hälfte zu sehen war, "Man kann voll ihren Arsch sehen."

Sie grinste verlegen, doch es war unsicher und Leonie schaute misstrauisch. Das Mädchen ging mit den schönen schlanken, aber leicht zitternden Beinen auch sehr seltsam, irgendwie breitbeinig, und sie wirkte, als ob sie große Schmerzen unterdrückte.

"Ähm Fica?", sagte Leonie, "Alles in Ordnung?"

Das Mädchen drehte sich nicht einmal um und erst als es die verschlossene Tür aufschloss, lächelte es schwach.

"Bitte.", sagte sie leise und es klang unfassbar schüchtern, "Eintreten."

Man sah einen schmalen kahlen Flur mit mehreren abgehenden Türen und einem kleinen Tisch, aber keine Stühle. Es stand in völligem Widerspruch zu dem Luxus der restlichen Anlage, doch Fica deutete jetzt auf eine Tür.

"Leonie.", sagte sie und zeigte auf eine weitere, "Selina. Ihr müsst dort die Fragebogen ausfüllen. Wenn ihr fertig seid ..."

"Wie? Jeder alleine?"

Das Mädchen starrte sie ängstlich an und blickte zur Decke, wo man jetzt eine kleine Kamera sah.

"Bitte.", sagte Fica fast flehend, "Macht mir bitte keinen Ärger. Es ist nur kurz."

Ihre Augen bettelten und die beiden anderen sahen sich an und zuckten mit den Schultern.

"Na von mir aus.", sagte Selina und ging mit ihrem Fragebogen in die Tür, den ihr Fica gezeigt hatte.

Es war nur eine winzige, aber sehr hohe Kammer und sie war irritiert sie genau so kahl und fensterlos, nur von einer schwachen gelben Glühbirne spärlich erleuchtet vorzufinden und ging dann zu einem einfachen unbequemen, im Boden verankerten, Holzschemel, der das einzige Mobiliar darstellte. Die Wände glänzten merkwürdig künstlich und sie setzte sich und legte den Hefter auf ihren hübschen Knien ab, während Fica die schwere Tür mit einem dumpfen Geräusch ins Schloss fallen ließ.

Es waren nicht nur ein paar Fragen auf dem Fragebogen und Selina verdrehte die Augen. Doch sie hatte das Gefühl, Doktor Mitchell etwas zu schulden für diese tolle Urlaubsgelegenheit, die tausend Mal besser war als Albena und die sie sich sonst nie hätte erfüllen können und machte sich an die Arbeit.

"Geburtstag und Alter.", las sie die erste Frage ab und schüttelte den Kopf, nahm aber dann den Stift, "30. Oktober 1996. 16 Jahre."

"Beruf?" - "Schülerin, (sonst Schwimmerin bei Schwimmclub Berlin und der DSV-Jugendschwimmmannschaft)."

Und so ging es immer weiter.

"Gewicht?" - "Geht die doch gar nichts an, na ja, 52, ok 54 kg."

"Größe?" - "1,76 m."

"Augenfarbe?" - "Blau, graublau."

"Körpertyp?" - "Häh, keine Ahnung, athletisch (V-Typ)."

"Kleidergröße und Körpermaße? Man!", entfuhr es Selina halb grinsend, halb frustriert, "wozu müssen die das wissen? 38 (M) und 90-71-97."

"Unterbrustumfang und Körbchengröße?" - "Boah eh. 73, 75C."

Die Sache wurde Selina etwas zu freizügig und sie war froh, dass die anatomischen Angaben nach ein paar weiteren harmlosen Fragen zu Ende zu sein schienen.

"Hobbies und Freizeit?" - "Volunteer mit meiner Schwester bei Veranstaltungen des Behindertensportverbands. In den Sommerferien als Betreuerin mit meinem Verein, Schwimmclub Berlin, Fahrten ins Athletik- bzw. Sommerlager nach Ahlbeck."

Selina hoffte, dass der Fragebogen bald zu Ende wäre. Der Schemel wurde immer unbequemer, doch es kam noch eine Seite mit familiären Angaben zu Wohnort und Eltern.

"Name der Mutter?" - "Andrea."

Und so ging es in einem fort.

"Geschwister?", las sie ab und schrieb weiter, "Eine Schwester. Sabrina."

"Geburtstag und Alter der Schwester?" - "15.01.1998, 14 Jahre."

"Kurzbiographie der Schwester?"

Selina ächzte auf und für einen Moment fühlte sie sich schlecht, doch dann zuckte sie erneut mit den Schultern. Sie war schon so weit gegangen, dass es darauf nicht mehr ankam und das meiste konnte man auch im Internet finden.

"Kurzbiograhie: Meine Schwester spielt zur Zeit Handball bei ProSport Berlin und engagiert sich zudem als Schiedsrichterin im Jugendbereich."

Das musste genügen, dachte sie und schaute auf den nächsten Punk, wo sie eine kurze Selbstbeschreibung zu ihrer Lieblingstätigkeit machen sollte. Die 16jährige fragte sich, was das sollte, doch dann zuckte sie mit den Schultern. Sie stand im Licht der Öffentlichkeit und Reporter fragten sie dauernd nach so etwas.

"Ich liebe das Schwimmen.", schrie sie leise mitlesend, "weil es mir Spaß macht durch das Wasser zu gleiten. Wasser ist mein Element. Ich habe das Gefühl, dass gefunden zu haben, was ich am besten kann. Die körperliche und mentale Belastung fordert mich immer wieder heraus. Wieder und wieder muss ich an meine Grenzen und über sie hinaus gehen. Ich liebe das Gefühl wirklich alles gegeben zu haben. Siege machen mich stolz und Niederlagen fordern mich heraus. Da Schwimmen eine Einzelsportart ist, hat für mich der Zusammenhalt in der Trainingsgruppe und Wettkampf- Mannschaft eine große Bedeutung. Hier findet man den nötigen Rückhalt den man als Einzelkämpfer braucht."

Sie legte den Stift beiseite und sah eine letzte Rubrik mit Fragen. Sie schaute auf die Überschrift und schluckte.

"Sexualität?!?!", entfuhr es ihr halb belustigt, halb entsetzt und schaute zu der ersten Frage, "Jungfräulichkeit????"

Ihr Blick fiel auf einen kleingedruckten Satz, der erklärte, dass die Frage freiwillig, aber wichtig für die sportliche Planung war.

Selina nickte. Im Leistungssport wurde nicht viel darüber geredet, aber natürlich war es wichtig, ob eine Frau bei einem Wettkampf ihre Tage hatte und es gab Trainer, die von Sex vor Wettkämpfen abrieten. Sie kreuzte daher leicht verlegen 'Jungfrau' an und fragte sich, was Leonie tun würde.

Sie wusste, dass ihre Freundin schon einen Freund gehabt, es aber vor ihren Eltern verheimlich hatte. Sie musste grinsen und blickte zu den nächsten Fragen, als ihr Grinsen erstarb.

"Masturbation? Wenn ja, mit oder ohne Penetration? Wenn ja, vaginal oder anal? Benutzung von Objekten?"

Was für eine Unverschämtheit, dachte Selina und stand ärgerlich auf. Das ging diese Leute bei aller Dankbarkeit doch wirklich gar nichts an und sie stand auf und ging hinaus, wo sie Fica leicht gekrümmt stehen sah.

"Fica.", sagte sie, "Das ist echt ... ohhh, was ist denn?"

Sie sah, dass das Mädchen leise schluchzte und die schmerzverzerrt die Beine zusammenpresste.

"Schon gut.", sagte sie leise, als plötzlich die Tür aufging und Madame Tadic und die junge Blonde von vorhin, welche die Koffer getragen hatte, hereinkammen.

Die Blonde griff das Mädchen unter dem Arm und führte die leicht aufstöhnende 16jährige mehr auf Schnelligkeit, als auf Vorsicht bedacht hinaus.

"Was ist mit ihr?", fragte Selina erschrocken und schaute nach Leonie.

"Es geht ihr nicht gut.", sagte Tadic ernst und streckte die Hand nach dem Fragebogen aus, "Sie hat Krämpfe. Und Leonie ist schon in ihrem Zimmer."

"Was?", sagte Selina verwirrt, schaffte es aber irgendwie, den Fragebogen zu übergeben, "Warum hat sie denn nicht auf mich gewartet?"

"Du hast so lange gebraucht.", sagte Tadic schulterzuckend, "Ich schicke gleich jemand, der dich holt. Warte solange in dem Zimmer."

"Ich ..."

"Bitte, ich habe jetzt keine Zeit für dich.", sagte die ältere Frau und schob die leicht widerstrebende Selina zurück in den kahlen Raum.

"Ja, aber kann ich Doktor ..."

"Doktor Mitchell wird sich bald um dich kümmern.", sagte Madame Tadic nur und machte die Tür zu.

Es wurde still und Selina wollte die Tür öffnen, stellte jedoch ärgerlich fest, dass sie nicht aufging. Sie hatte kein Schließen gehört, aber der Schnapper war offenkundig eingerastet und als auch nach kurzem Rufen, dass jedoch nicht durch die dicke, gut schließende Tür drang, niemand kam, setzte sich Selina mit einem Seufzer auf den harten Schemel.

Frustriert und hilflos starrte sie auf die kahle merkwürdige Wand und ein Gefühl der Verlorenheit überkam sie.

Der Stuhl begann bereits nach wenigen Augenblicken an ihrem Po zu schmerzen und sie wusste, dass sie es nicht lange auf dem harten Holz aushalten würde.



5. neu

lorem ipsum




Fortsetzung erwünscht?
Was soll passieren?
Schreibt mir.


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Gut
Geht so
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November 2015 von alphatier Kapitel 4 ist da und die Geschichte nimmt ihren Lauf.

alphatier
September 2015 von Jolynn Hier gäbe es aber wunderbar viel Raum für Demütigungen und Quälereinen. Hast Du noch einen Link zu Sadistica (ist auf Deiner Collection nicht drauf).
alphatier Ja, wenn das weitergeht wird das keine nette GEschichte. Sadistica ist nur als kommerzielles Buch über die Seite der autorin zu haben. Ich kenne nur die Kurzzusammenfassung, dass eine junge Frau grausam zu tode gefoltert wird.
März 2015 von Jolynn Das ist ein ganz aufregendes Setting. Warte gespannt auf die Folge
alphatier Danke! Es ist ein Szenario wozu mich vor einigen Jahren die Kurzzusammenfassung von einer von drkfetyshnyghts Geschichten, ich glaub "Sadistica", inspiriert hat, muss aber auf die Gefahr zu enttäuschen gleich sagen, dass eine Fortsetzung auf absehbare Zeit leider unwahrscheinlich ist.
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