Die Kandidatinnen 1 - 3 von x ___________________________________ by alphatier, © 2015* *kopieren, ausdrucken, reposten ist alles erlaubt ___________________________________ f(15)-solo, teen, slow, scFi, wpm, noend, long, horror, celeb, humil, alien Inhalt: Als die fünfzehnjährige Jungschauspielerin Jelena aufgrund einiger Probleme mit ihrem Umfeld von ihren Eltern auf ein privates Eliteinternat geschickt wird, soll alles anders werden. Doch das Mädchen merkt schnell, dass an der Schule seltsame Dinge vor sich gehen. Irritiert versucht sie, der Sache auf den Grund zu gehen. - Basiert stark auf Virtual Scott's "Prospects". - Hinweis: Die Geschichte entwickelt sich langsam, ist noch nicht fertig und soll im Verlauf etwas düsterer und ekliger als das Original werden. ___________________________________ "Nowhere in space will we rest our eyes upon the familiar shapes of trees and plants, or any of the animals that share our world. Whatsoever life we meet will be as strange and alien as the nightmare creatures of the ocean abyss, or of the insect empire whose horrors are normally hidden from us by their microscopic scale." - Arthur C. Clarke Dunkle Zeichen[SPOILER] Die kleine Gruppe aus Zivilisten in Anzügen und Uniformierten stand schweigend vor der riesigen Computerwand, auf der hunderte von roten, grünen und blauen Dioden wild und in den seltsamsten Mustern blinkten. Aber die Männer sahen nicht auf die kleinen Lämpchen. Sie blickten wie gebannt auf einen dicht mit Zahlen und scheinbar sinnlosen Buchstabenkolonnen bedruckten Papierstreifen, der mit leisem Surren kontinuierlich aus einem schmalen Schlitz an der Vorderseite des Computers herauskam. Doch was für Laien, wenn sie den Papierstreifen je zu Gesicht bekommen hätten, wie unscheinbarer Zahlensalat, kryptische Börsenkürzel oder Fehldrucke ausgesehen hätte, war für die Männer das je nach Standpunkt faszinierendste oder erschreckendste, was sie in ihren teils jahrzehntelangen Karrieren als Wissenschaftler oder Militärs erlebt hatten. Keiner konnte sich erinnern seit dem vom SETI-Projekt im August 1977 aufgefangenen Wow-Signal etwas auch nur annähernd vergleichbares gesehen zu haben und das, was hier seit zwei Stunden aus dem Computer kam war tausendfach stärker. Mit unfassbaren Zwei Punkt Acht Gigawatt Sendeleistung hatte der Computer die Signalstärke berechnet und auch wenn sie nicht zu entziffern vermochten, was die Zeichen bedeuteten, war die Struktur der Daten doch so systematisch und komplex, dass jedem in dem abgedunkelten Raum klar war, dass sie es nicht mit zufälligen Signalen zu tun hatten. Sondern einem Werk hochintelligenten Ursprungs. Um Sprache. Einer Sprache, die sie nie verstehen würden, sich aber wenn es möglich gewesen wäre, etwa so angehört hätte ... ___________________________________ "... aber ist es auch möglich ? Es hieß stets, es wäre nie zu bewerkstelligen." "Wir haben die einheimische Bevölkerung gründlich beobachtet, ihre Genetik untersucht und technologische Fortschritte gemacht, aber ob es auch praktikabel ist, wer weiß ..." "Dann gibt es eine Lösung?!" "Nicht für uns, der Prozess ist bereits zu weit fortgeschritten, aber für die, die nach uns kommen besteht vielleicht Hoffnung. Vielleicht." "Vielleicht?" "Wir haben es erst einmal versucht und wir kennen alle das Resultat." "Sie meinen die Testreihe ihres Vorgängers." "Ja, wir orientierten uns damals an Strategien einiger uns ähnlicher, jedoch leider viel zu kleiner Lebensformen auf ihrem Planeten. Der hohe Stresslevel der darauf nicht vorbereiteten Testsubjekte bei gleichzeitig geringer Schmerztoleranz produzierte untragbare Biowerte, die unsere Jungen schädigten." "Ich dachte, diese Biowerte wären wünschenswert." "Wünschenswert für die Jungen, nicht für die Wirte. Wir konnten selbst mit größten Mühen kaum einen länger erhalten, geschweige denn wiederverwenden." "Aber grundsätzlich war es möglich?" "Es ist eine Frage der Balance. Unsere Jungen sind jetzt anpassungsfähiger. Aber ständige kontrollierte Exposition während der prenatalen Entwicklung ist weiterhin absolut nötig, damit sie sich während ihrer Entwicklungstadien an die Umweltgifte dieser Welt anpassen können." "Aber das ist doch alles zu bewerkstelligen." "Sie verstehen nicht ganz. Ständige kontrollierte Exposition bedeutet bei der Anzahl, die für unser Überleben erforderlich ist, dass die Aufzucht nicht auf herkömmliche Weise erfolgen kann." "Wie dann?" "Nun, unter Berücksichtung unserer begrenzten Ressourcen, unserer Position und ihres schwergeschädigten Ökosystems müssen wir Surrogatenmütter aus der dominanten Spezies dieses Planeten nehmen." "Also doch. Aber wo ist das Problem? Es gibt Milliarden von ihnen und die vergleichsweise wenigen, die wir benötigen, wird man kaum vermissen." "Lassen sie mich ausreden. Denn da gibt es einige Probleme. Zuerst sind geeignete Exemplare aufgrund des Sozialverhaltens der dominanten Spezies über einfache kleine Testreihen hinaus nicht so einfach zu beschaffen. Weiterhin ist auch der neue optimierte Prozess sowohl psychisch als auch physisch extrem belastend für den Wirt, da dieser sich an das Junge anpassen muss und umgekehrt. Nur junge, gesunde Wirte kommen dafür in Frage, denn wenn der Surrogat abstirbt, sterben auch unsere Jungen. Damit einhergehend werden umfangreiche Anstrengungen nötig sein, um die Implantation überhaupt durchzuführen. Anatomie und Metabolismus zu uns sind grundverschieden und solange wir nicht grundlegende operative Veränderungen vornehmen, wird es zur Abstoßung kommen. Dazu kommt, dass die Weibchen der einheimischen Lebensformen zwar in einem Prozess, denn wir operativ unterstützen würden, eine körpereigene Nährlösung produzieren, die für die Aufzucht unserer Jungen notwendigen Stoffe jedoch leider regelmäßig filtriert und ausgeschieden werden, so dass sie konstant neuzugeführt werden müssen." "Dann tun sie es." "Wir arbeiten daran, doch viel problematischer ist, dass unsere technischen Ressourcen vor Ort nicht ausreichen, um eine ausreichende sich selbst erhaltende Population aufzubauen, was bedeutet, dass die Implantation weitgehend natürlich erfolgen muss." "Natürlich?! Wie soll das gehen?" "Ich sagte weitgehend natürlich. Gewisse Beeinflussungstechniken und Vormaßnahmen werden natürlich erforderlich sein. Es ist jedoch grundsätzlich möglich, wenn man vom Hauptproblem unserer kaum vorhandenen physischen Kompatibiltät absieht." "Ich hörte davon." "Ja, sie ertrugen unseren Anblick nicht und es war ein wichtiger Grund für die hohen Streßlevel der Wirte bei der ersten Testreihe. Aber drittens. Wir müssen berücksichtigen, dass sie ein komplexes und irrationales Sexual- und Paarbindungsverhalten haben, was wir jedoch zu unserem Vorteil nutzen können." "Komplex?" "Ja, wie in der Tat das gesamte humanoide Sozialverhalten. Denn sie scheinen, und das ist Problem Nummer Vier, ihre Jungen und speziell die jungen Weibchen äußerst aggressiv zu überwachen und zu verteidigen. Es ist vermutlich ratsam, davon auszugehen, dass sie sich hier ähnlich wie wir verhalten. In dieser Hinsicht können wir es uns nicht erlauben, die lokale Bevölkerung mit unserer unzweifelhaft als feindlich wahrgenommenen Präsenz zu verstören und so unsere Jungen und damit unsere gesamte Spezies der Auslöschung preiszugeben." "Gibt es Anzeichen, dass unsere Anwesenheit entdeckt wurde?" "Nein." "Gut. Dass heißt, dass wir jetzt einen sicheren abgelegenen Ort finden müssen, dessen geographische Lage und demographische Zusammensetzung uns erlauben, die Implantationen gründlich vorzubereiten und wo die Surrogatenmütter unsere Jungen austragen können." "Das ist korrekt." "Und das Problem ist, dass wir nicht in der Lage sind, eine ausreichende Anzahl junger humanoider Weibchen zu gewinnen?" "Im Moment, aber wir haben bereits einen Plan dazu entwickelt." "Und wie soll der aussehen?" "Im Kern werden wir sie bezahlen, uns ihre Jungen zu bringen." "Was? Kein rationales Wesen würde das tun!" "Wir würden ihnen natürlich nicht sagen, was wir dort vorhaben und zusätzliche einige erwachsene Humanoide brauchen, die in unserem Sinne mit der Bevölkerung interagieren." "Das erhöht aber das Risiko." "Nur unwesentlich. Die meisten würden es, ohne es zu ahnen tun, nur einige wenige würden wir tatsächlich zu Drohnen machen. In unseren Plänen ist direkter physischer Kontakt kaum nötig, beziehungsweise dient nur der Versicherung." "Was genau wollen sie also tun?" "Wir haben überlegt, eine Schule zu eröffnen." "Eine ... Schule?" "Die Humanoiden senden ihren Nachwuchs beinah täglich für einen erheblichen Zeitraum dorthin. Wir dachten dabei speziell an ein sogenanntes privates Sportgymnasium mit einem angeschlossenen Internat. Eine Institution, wo der Nachwuchs untergebracht wird, dessen Eltern zu wenig Zeit für die Aufzucht haben. Die natürliche Hierarchie solcher Einrichtungen erlaubt uns, eine erhebliche Kontrolle über die Wirte auszuüben, ohne dabei Verdacht zu erregen." "Aber kriegen wir dann auch genau die gewünschten Exemplare?" "In Erdzeit gerechnet beginnt der humanoide Nachwuchs die Phase der Schulzeit mit fünf bis sechs Jahren, wobei dieser jedes Jahr in die nächsthöhere sogenannte Klasse aufrückt. Mit sechs Jahren sind humanoide Weibchen für unsere Zwecke jedoch noch zu jung, aber wir werden die weiblichen Exemplare so die ganze Zeit auf ihre Rolle als Wirte vorbereiten können. Die Empfängnis ist ab 12 bis 13 Erdenjahren möglich, wobei es ab hier in der Regel noch bis zu sechs Jahre dauert, bis die postmenarchischen Weibchen ihre maximale Empfänglichkeit erreicht haben." "Also mit 18 Erdenjahren?" "Ja, aber wir werden die Empfänglichkeitswahrscheinlichkeit medikamentös oder operativ erhöhen, wenn es angebracht ist. Das praktische dabei ist, dass in unserer humanoiden Verwaltungseinheit bei Schulen eine organisatorische Trennung erfolgt, wenn der als Schüler bezeichnete Nachwuchs mit 15 oder 16 Erdenjahren in die zehnte Klasse kommt. Bei einem Gymnasium wäre das die gymnasiale Oberstufe. Es wäre daher unauffällig möglich, die zur Serienproduktion vorgesehenen zuchtbereiten Weibchen von den jüngeren zu trennen." "Und das soll nicht auffallen?" "Es würde natürlich bei weitem nicht alle Weibchen betreffen." "Schön, aber was machen sie mit den Männchen?" "Wir brauchen einige, um das soziale Gefüge der Schule aufrecht zu halten, humanoide Weibchen scheinen Wert darauf zu legen, doch wir werden nicht mehr als ein Drittel Männchen zulassen." "Das geht?" "Es wäre eine Sache des Selektionsprozesses bei der Aufnahme. Genau so wie wir auf Intelligenz, Fitness, Gesundheitszustand und solche Dinge achten, könnten wir auch das Geschlechterverhältnis kontrollieren. Wir könnten durch ein Geld genanntes erdtypisches Anreizsystem speziell weibliche Schüler fördern." "Nun gut, aber wie kriegen wir dieses ... Geld?" "Zum einen durch Manipulation ihrer mit dem Austausch dieses Geldes befassten Computernetzwerke, was mit unserer Technologie leicht zu bewerkstelligen ist. Zum anderen durch Erlöse aus der Vermarktung der Wirte während des mehrjährigen Konditionierungsprozesses." "Wie dieses?" "Die Wirte unter unserer Obhut wären bei uns auf dem Höhepunkt ihrer sexuellen Reife sowie Leistungs- und Belastungsfähigkeit. Ein erheblicher, wenn auch aus sozialen Gründen unterschlagener Teil der humanoiden Ökonomie besteht aus Diensten, die sich mit dem Reproduktionsverhalten der Wirte beschäftigen. Je jünger die Weibchen und um so ausgefallener ihre Behandlung, desto einträglicher." "Wie sollten wir auf diesem ... Markt bestehen können?" "Seltsamerweise haben die Humanoiden äußerst restriktive Handhabungen, was die Sexualität ihrer jungen Weibchen angeht." "Bizarr." "In der Tat, da ein großer Markt für Material besteht, welches extrem aggressives, dominantes und destruktives Verhalten gegenüber ihren jungen Weibchen zeigt." "Sie meinen nicht einvernehmliche Vereinigungen, wie bei der ersten Testreihe." "Ja. Aber wir würden uns damit natürlich verraten." "Sicher, aber wäre eine Vermarktung unsererseits dann nicht grundsätzlich viel zu auffällig." "Wäre es, denn in bestimmten nach humanoiden Standards unethischen Segmenten wären wir praktisch sofort der dominierende Anbieter. Wir haben daher umfangreiche Methoden entwickelt, um dieses Problem zu umgehen." "Na schön, aber es scheint uns immer noch seltsam, dass man in solch einer repressiven Gesellschaft einfach so eine Schule kaufen kann oder seine Nachkommen Fremden überlässt." "Es klingt erstaunlich, aber tatsächlich wollen viele humanoide Eltern so etwas für ihre Kinder. Und besonders Privatschulen sind im Augenblick sehr populär. Offensichtlich scheinen sie eine extrem kompetitive Gesellschaftsordnung zu haben, bei der die Ausbeutung ihrer Artgenossen oberstes Prinzip ist. Die Humanoiden glauben, dass je besser die Schule ist um so besser ihr Kind in diesem seltsamen Wettstreit ist." "Das klingt extrem primitiv und irrational, aber das soll uns nur Recht sein. Doch wie genau wollen sie vorgehen?" "Der Plan sieht vor, eine mit diesem Geld äußerst gut ausgestattete Stiftung zu eröffnen, die sich in einem geographisch und demographisch geeigneten Gebiet mit Personen von Einfluß und Eltern, die sich eine solche Schule wünschen zusammenschließt. Diese von uns kontrollierte Stiftung würde dann Lehrpersonal anwerben und einen Lehrplan entwerfen, der unseren Erfordernissen entspricht." "Und diese Lehrer ..." "... werden soweit nötig konditioniert werden." "Nun gut. Ich werde ihre Vorschläge den Ältesten vorlegen. Sagen sie mir nur noch, wie lange sie brauchen werden, um diesen Plan umzusetzen." ___________________________________ Sechs Jahre später ... Die mittelgroße Frau hinter dem Rednerpult war frustriert. Seit einer halben Stunde hatte sie die Argumente des Lehrerkollegiums vorgetragen, aber sie schien zu ihrem Publikum und den drei Personen hinter dem großen Tisch zu ihrer rechten einfach nicht durchzudringen. "Aber es ist einfach nicht fair, fast die ganze bisherige Schulbelegschaft zu ersetzen.", versuchte sie es erneut und wischte sich den Schweiß von der Stirn, "D-die ... die Probleme, die wir hatten waren auf unkooperative Eltern selber und einige unglückliche Fehler der Verwaltung zurückzuführen." Es klang beinah verzweifelt und sie blickte nach rechts, wo der hagere etwa fünfzigjährige Mann, der in der Mitte hinter dem Tisch saß nur den kahlen Kopf schüttelte. Er griff nach einem Mikrofon vor ihm und begann zu sprechen. "Frau Willert.", sagte er ungerührt, "Wir haben das doch alles besprochen. Und der Stadtrat hat in Person von Frau Wien das Angebot der Asilida-Stiftung vollumfänglich geprüft und als das bessere befunden." Er schaute kurz zu einer sehr attraktiven Endvierzigerin in einem kobaltblauen Businesskostüm neben ihm, die ihm kurz zustimmend zu nickte und dann wieder ihren wachem Blick ins Publikum richtete. "Aber was wird denn dann aus den Schülern?", fragte derweil die Frau am Rednerpult mit Bitterkeit in der Stimme, "Diese Asilida-Stifung ist doch völlig neu auf dem Gebiet und sie haben bereits erkennen lassen, dass sie die meisten Mitglieder der alten Belegschaft nicht übernehmen werden. Und ich wiederhole noch einmal, dass die aufgetauchten Probleme nicht durch uns als Schule verursacht wurden und auch die finanzielle Problematik mit etwas Unterstützung durch den Stadtrat beherrschbar ist." Aber der Mann schüttelte wieder nur den Kopf. "Eine weitere Förderung durch die Gemeinde oder das Land läßt die derzeitige Situation nicht zu und die Schüler werden soweit gewünscht in der Schule verbleiben oder mit Unterstützung des Landes in andere Schulen transferiert werden." Andrea Willert konnte es nicht fassen und sie spürte, wie sie mit aufkommenden Tränen zu kämpfen hatte. "Aber ..." "Es tut mir Leid.", unterbrach der Mann sie jedoch etwas genervt, "Aber in Anbetracht der Tatsache, dass bei dieser finalen Anhörung keine neuen Fakten vorgebracht wurden, entschließt sich der Stadtrat der Gemeinde Kreventhal einstimmig dazu, die Leitung und den Betrieb des Friedrich Ludwig Jahn Gymnasiums ab dem ersten August 2011 für fünf Jahre der Asilida-Stiftung zu übertragen und den Status einer staatlich anerkannten Ersatzschule mit pädagogischer Prägung anzuerkennen. Es gelten dabei die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen sowie die vorher veröffentlichten und in gegenseitigem Einvernehmen vereinbarten Regelungen. Die Sitzung ist damit geschlossen. Guten Abend." ___________________________________ 1. Ein neuer Anfang Jelena blickte mürrisch auf das große Schild neben der großen Doppelholztür. "Friedrich Ludwig Jahn Sportgymnasium - Asilida-Stiftung" stand dort und darunter "Mens sana in corpore sano". Jelena nahm an, dass es lateinisch war und blickte zu ihrer Mutter, die es sich nicht hatte nehmen lassen, ihre fünfzehnjährige Tochter, noch zu begleiten. "Mach' nicht so ein Gesicht.", sagte sie mit einem leicht vorwurfsvollen Lächeln und wischte Hannah, eine ihrer braunen stets so widerspenstigen Strähnen aus dem Gesicht, "Nur ein einziges Mal." Jelena wischte die Hand ihrer Mutter heftig beiseite, dass ihr fast der über eine Schulter geschwungene Rucksack von der Schulter gefloge wäre. "Mom, bitte.", sagte sie genervt und hoffte, dass diese endlich gehen würde. Doch diese lachte nur auf und schüttelte den Kopf. "So leicht wirst du mich nicht los.", sagte sie und öffnete die Tür, hinter der sich ein weites Foyer auftat mit einem modernen schreibtischartigen Tresen mit einem ultradünnen Notebook darauf auftat, der so überhaupt nicht zu dem restlichen mittelalterlichen Ambiente des mehrere hundert Jahre alten Gebäudes, einem ehemaligen Schloss, passte. Genau so wenig, wie der hohe hässliche Sicherheitszaun, der das riesige ansonsten so malerisch im Wald gelegene Areal umgab, dachte Jelena und schaute nach rechts, wo jetzt eine wunderhübsche Brünette anfang Zwanzig in diesem typischen Outfit, dass hier alle zu tragen schienen, herbeigeeilt kam. Guten Tag meine Damen. Willkommen im Friedrich Ludwig Jahn Sportgymnasium der Asilida-Stiftung. Ich bin Marie Meinzenbach.", sagte die junge Frau derweil mit einem feinen Lächeln und blieb einen Meter vor ihnen stehen, "Haben wir hier eine neue Schülerin?" Jelena schüttelte kaum merklich den Kopf, doch ihre Mutter nickte mit einem missbilligenden Seitenblick zu ihr und packte sie sachte am Handgelenk, um sie zum Tresen zu ziehen. "Hallo Marie.", sagte sie dann lächelnd, "Mein Name ist Irina Herrmann und das ist meine Tochter Jelena. Sie ist für die zehnte Klasse angemeldet." Marie nickte leise den Namen wiederholend und ging zu ihrem Schreibtischtresen, wo sie einen daraufliegenden Aktenordner aufschlug. "Der perfekte Zeitpunkt eigentlich.", sagte sie dabei, mit einem strahlenden Seitenblick aus ihren blauen Augen, "Letzte Woche hatten wir viel zu tun, um das Schuljahr vorzubereiten." Jelena fand das überhaupt nicht perfekt, aber ihre Eltern hatte gesagt, dass sie den Urlaub nicht anders bekommen hatten und dass es nicht schlimm wäre, nicht gleich am ersten Tag des Schuljahrs zu erscheinen. Dabei hatten sie diese Schule für Jelena unter anderem deswegen ausgesucht, weil die Leitung hier sehr viel Wert auf Regeln legte. Und zumindest was die Kleidung anging, schien das zu stimmen, denn Maries dunkelblaue Schuluniform saß tadellos, obwohl Jelena nach genauerer Betrachtung merkte, dass die Schülerinnen, die sie bis jetzt gesehen hatte, eine leicht veränderte Version getragen hatten. Marie schien derweil gefunden zu haben, was sie suchte. "Ahh.", sagte sie fröhlich und schaute zu Jelena, "Jelena Coralie Herrmann, geboren am 8.12.1999. Richtig?" Jelenas Mutter nickte. "Genau. Das ist sie." Ein leichter Schatten fiel über Maries schönes Gesicht. "Wir sind ein G9 Gymnasium, dass in einem Jahr weniger zum Abitur führt. Von ihrem Alter her könnte sie also bereits in die elfte Klasse bei uns.", sagte sie etwas irritiert und schaute zu den beiden ,"Und normalerweise nehmen wir auch nur alle zwei Jahre, als erst nächstes, wieder auf." "Nun, ja", sagte Jelenas Mutter, der die Sache sichtlich ein wenig unangenehm war, "ich hatte das mit der Leitung besprochen und, nun, meine Tochter ist etwas im Rückstand. Sie ist ... war Schauspielerin im Fernsehen, Schloss Einstein, vielleicht kennen sie die Serie ja und na ja, das schränkte den Unterricht etwas ein ... dazu kam ein kleines Problem mit, nun ja, einem aufdringlichen ... Fan." Sie begann etwas zu stocken, doch Marie lächelte nur. "Kein Problem. Wir haben Erfahrung mit solchen Fällen. Ihre Tochter wird hier völlig ungestört sein." Jelena verzog nur leicht den Mund und hörte weg, während sich Marie jetzt mit ihrer Mutter über Formalitäten unterhielt. Sie wollte das ganze Prozedere hier möglichst schnell beenden und endlich ihr Zimmer sehen und sich ausruhen. Sie hatte trotz allem nicht hierhergewollt, aber ihre Eltern waren nach ihren immer schlechter gewordenden Noten schließlich der Meinung gewesen, dass eine Besserung in ihrem bisherigen Umfeld nicht möglich war. Und da die beiden aufgrund ihrer beruflichen Stellungen als Abteilungsleiter eines Versicherungskonzerns und Firmenanwältin einer Unternehmensberatungsfirma ohnehin dauernd unterwegs waren, hatten sie entschieden, Jelena von ihrer alten Schule zu nehmen und hier, weit genug weg, einen Neustart zu versuchen. Denn Jelenas Noten waren nicht nur wegen der Schauspielerei so plötzlich gefallen. Das Mädchen schüttelte unwillkürlich traurig den Kopf und schob den Gedanken beiseite. Denn auch wenn ihr hier auf Anhieb einiges nicht gefiel, war das Jahn Gymnasium jetzt für die nächsten vier Jahre ihr neues Zuhause. Mit neuen und hoffentlich besseren Freunden. Denn ihr altes Gymnasium in Jena war keine schlechte Schule gewesen, das Problem waren die Idioten, die dort eingeschrieben waren. Und Jelena fragte sich, ob die Leute hier wirklich besser waren. Sie bezweifelte es, aber zumindest sahen sie in ihren Schulfuniformen wesentlich disziplinierter und harmloser aus. Davon abgesehen klang das Konzept der Schule beeindruckend und Jelena hörte wieder genauer hin, als Marie ihrer Mutter genau davon zu erzählen schien. "... der Fokus liegt also anders als bei öffentlichen Schulen klar auf akademischer Disziplin, physischer Fitness und persönlicher Verantwortung.", erklärte Marie lächelnd, "Es wird dabei für sie etwas ungewohnt sein, aber wie sie überall sehen können, haben wir einen strikten Dresscode. Wir werden Jelena gleich die Maße dazu abnehmen." Das Mädchen glaubte, sich verhört zu haben, doch ihre Mutter nickte nur, während Marie bereits ungerührt fortfuhr. "Wie sie ja wissen, haben wir weiter eine strenge Anwesenheitspflicht, Verhaltens- und Besuchsregeln. Nichts soll die Konzentration unserer Schüler stören. Daher sind auf dem Schulgelände auch keine Handys gestattet und müssen bei Betreten des Schulgeländes abgegeben werden. Und auch andere elektronische Geräte wie MP3-Player oder Laptops nur nach Genehmigung erlaubt." Jelena schrak auf und auch ihre Mutter blickte irritiert. "Davon stand nichts in dem Prospekt. Wie soll sie denn mit uns telefonieren und ein Computer gehört doch zur heutigen Arbeitswelt." Marie lächelte. "Oh, natürlich. Aber es steht alles in dem Vertrag, den sie unterschrieben haben. Und keine Angst, die Asilida-Stiftung stellt natürlich von Hause aus erstklassige Möglichkeiten zur internen und externen Kommunikation und modernste Arbeitsgeräte zur Verfügung. Aber seit wir diese Schule vor drei Jahren übernommen haben, sind einige neue teils sogar revolutionäre Lernkonzepte eingeführt worden. Dazu gehörte auch die Kontrolle über die heutzutage immer leistungsfähigere Technik zu behalten. Ein Umstand, mit dem unsere Vorgänger große Probleme hatten." Jelenas Mutter nickte verständnisvoll. "Wem sagen sie das.", entfuhr es ihr beruhigt. Jelena war dagegen empört. Sie dachte nicht daran, ihr Handy abzugeben oder ihren MP3-Player, doch Marie schien im Moment nicht daran zu denken, sondern begann weiter von dem Schulprogramm zu erzählen. "... darum gibt es bei uns auch nur 100%ig gesundes speziell von Spitzenköchen zubereitetes und auf den jeweiligen Schüler abgestimmtes Essen.", hörte Jelena, Marie sagen und verzog den Mund, während ihre Mutter interessiert dreinschaute. "Fantastisch.", sagte sie, "Ich wünschte, mein Arbeitgeber würde so etwas einmal tun." Marie lachte. "Unsere Schüler brauchen meist etwas, um sich daran zu gewöhnen, dass es keine Softdrinks oder Fastfood in den Automaten gibt." Jelena lächelte säuerlich. Noch eine Regel, die sie brechen würde, dachte sie und blickte zu ihrer Mutter, die nur kritisch zurückschaute und zu ahnen schien, was ihre Tochter dachte. "Das wird nur gut für dich sein.", sagte sie dann und nickte, bevor sie wieder zu Marie blickte, "Auch der Sport." "Ja.", sagte diese, "Neben technisch-analytischen Fähigkeiten liegt unser Fokus natürlich klar auf sportlichen Fähigkeiten, wobei jeder Schüler einen Schwerpunkt wählen kann. Mit Ausnahme von Schwimmen, was verpflichtend für alle ist." Jelena wusste es schon. Sie hatte eine Menge recherchiert, als ihre Eltern ihr angesichts ihrer Krise vor einem halben Jahr von der neuen Schule erzählt hatten. Marie machte plötzlich große Augen, als habe sie etwas vergessen und griff in ihre Schublade, um einen weißen Zettel hervorzuholen. "Richtig.", sagte sie lachend, "Ich muss dich ja noch fragen, welches Wahlfach du haben willst. Das meiste ist zwar festgelegt, aber eine freie Aktivität gibt es für jeden. Sag mir was dir gefällt. Danach machen wir das Foto für die ID-Karte und nehmen deine Maße ab." Sie reichte Jelena das Formular herüber, auf dem das Mädchen nach einigem Suchen an einem Eintrag hängenblieb. "Schülerzeitung und Newsletter.", sagte sie, "Geht das?" Es brachte einige unangenehme Erinnerungen hervor, doch die Fünfzehnjährige hatte sich vorgenommen, sich hier nicht von der Vergangenheit plagen zu lassen. "Natürlich.", sagte Marie und lächelte, wie schon die ganze Zeit. Es wirkte langsam irgendwie falsch und Jelena hatte das Gefühl dass sie die gleiche Reaktion bekommen hätte, wenn sie Kannibalismus oder Serienmord angegeben hätte. Marie tippte derweil einige Tasten ihres Notebooks, als man von rechts plötzlich leises Schluchzen hörte. Die drei blickten nach rechts, wo man jetzt ein hübsches schlankes weinendes Mädchen, vielleicht ein Jahr jünger als Jelena mit zwei Frauen an seiner Seite aus einem breiten Gang mit Bogendecke entlangkommen sah. " ... bitte Mom.", schluchzte sie und schaute, sich nervös durch die langen rotblonden Locken fahrend, flehentlich zu einer großen brünetten Frau mit einem Rucksack in der Hand, "Kann ich nicht wieder nach Hause? Bitte!" Diese schüttelte nur den Kopf. "Das haben wir doch schon besprochen Kaja.", sagte sie und blickte kurz und wie Jelena fand, relativ kühl zu ihnen, bevor sie sich wieder zu ihrer Tochter drehte, "Du wirst jetzt mit der Schulpsychologin mitgehen." Die andere Frau, eine attraktive Blonde mit schwarzer Brille und einem Pferdenschwanz nickte freundlich. "Ja, komm jetzt bitte Kaja.", sagte sie, "Wir gehen erst einmal in mein Zimmer und besprechen in Ruhe alles. In Ordnung?" "Bitte. Ich fühl' mich nicht gut.", sagte das Mädchen noch einmal leise zu seiner Mutter, doch diese schaute jetzt nur beinah gleichgültig über die Szenerie. Sie schüttelte erneut den Kopf und beschränkte sich darauf, das orangene geflochtene Halstuch und das eng taillierte blaue Schuljacket ihrer Tochter noch einmal geradezuzupfen. Jelena fand sie ziemlich herzlos, doch irgendwie fand sie auch das Verhaltens des Mädchens etwas peinlich. Mit dreizehn, vierzehn war man schließlich kein Baby mehr. "Geh jetzt bitte mit Doktor Rogall mit Kaja.", sagte die Mutter des Mädchens dann noch einmal nachdrücklich, doch das Mädchen trat jetzt einen Schritt von den beiden zurück und schüttelte den Kopf. "Ich geh da nicht mehr rein.", sagte sie mit tränenerstickter Stimme, während ihre Mutter nach ihrem Arm griff, damit ihre Tochter nicht noch weiter zurückweichen konnte. Sie bugsierte das jetzt nur schwach widerstrebende Mädchen mit Hilfe der Psychologin einige Meter weiter in eine Nische und begann erneut, diesmal jedoch unverständlich auf sie einzureden. Auch die Psychologin sagte etwas und die Mutter von Kaja zuckte plötzlich mit den Achseln und reichte der anderen Frau den Rucksack. Dann drehte sie sich um und ging, ohne sich noch einmal zu ihrer Tochter umzublicken zum Ausgang und verschwand durch die Tür. Jelena schaute nur verständnislos zu Marie, die jedoch völlig gleichgültig lächelte, als wenn die Szene völlig normal wäre. "Das ist Kaja. Kaja Eckert. Aus deiner künftigen Klasse.", sagte sie dann scheinbar mitfühlend zu Jelenas Mutter blickend, "Sie gehört zu denen, die hier anfingen als die Asilida-Stiftung übernahm und ist eigentlich hochbegabt, aber sie hat leider einige grundsätzliche Probleme und Anpassungsschwierigkeiten, die nur schwer beherrschbar sind." Jelenas Mutter nickte. "Offensichtlich.", sagte sie irritiert, "Vielleicht sollte ihre Mutter sie noch in ihr Quartier begleiten." "Tut mir Leid.", sagte Marie bedauernd, "Das ist leider nicht gestattet. Die Schüler haben ihren Bereich, der nur für sie, die Lehrer und das Lernen reserviert ist. Es ist alles psychologisch durchdacht. Und Kaja ist bei Shalin, also Doktor Rogall in guten Händen. Sehen sie, sie hat sich schon wieder etwas beruhigt." Sie schaute zu der blonden Frau und dem Mädchen, dass jetzt tatsächlich etwas ruhiger war, aber immer noch feuchtglänzende Spuren von Tränen auf seinen niedlichen geröteten Hamsterbäckchen hatte. Mit eingesunken schmalen Schultern stand die Kleine kläglich da und ließ sich jetzt den Rucksack in die Hand geben, während die Frau gleichzeitig ihre Hand ergriff. Sie nickte noch einmal und verschwand dann mit ihr durch eine massive Holztür in der Wand des gegenüberliegenden Ganges. "Nun, ich hoffe, dass sie das nicht abgeschreckt hat.", lachte Marie und stand mit einem Blick zu Jelenas Mutter auf, "Aber wenn sie nichts dagegen haben, würde ich jetzt die Körpermaße abnehmen. Als0 wenn sie ..." Jelenas Mutter nickte. "Ja, natürlich.", sagte sie schnell, "Wir wollten sowieso keinen großen Abschied machen und mein Mann wartet mit dem Auto vor dem Haupttor." "Sehr gut.", sagte Marie fröhlich, "Ich bereite dann den Raum vor. Und sie könnten sich inzwischen in Ruhe verabschieden." Jelena schaute zu ihrer Mutter, die zustimmend nickte und wenige Augenblicke später war Marie mit einigen Unterlagen durch eine Tür hinter ihrem Schreibtischtresen verschwunden. "Puhh.", entfuhr es Jelenas Mutter, "Es scheint hier ganz schön stressig werden zu können. Ich möchte hier nicht den ganzen Tag sitzen. Vor allem bei diesem Geruch." Sie lachte, während ihre Tochter sie nur irritiert anschaute. "Geruch?" "Riechst du das nicht?", fragte ihre Mutter amüsiert und schaute erstaunt zu ihrer Tochter, die es jetzt jedoch schlagartig auch bemerkte. Es war nicht sehr intensiv, aber sie wunderte sich trotzdem, warum sie es nicht gleich gemerkt hatte. Es war irgendwie süßlich aromatisch und gleichzeitig undefinierbar, aber nicht unangenehm. "Komisch.", entfuhr es Jelena, "Ist mir gar nicht aufgefallen." Sie fragte sich, ob es vielleicht Maries Parfüm war, aber es kam nicht in einer Wolke, sondern schien gleichmäßig überall zu sein. Ihre Mutter zuckte nur mit den Achseln. "Wie auch immer.", sagte sie, "Wenn du ein Problem hast, meld' dich, dann holen wir dich, ok?" Jelena grinste schwach, war aber insgeheim froh, dass ihre Mutter nicht so gedankenlos wie die Mutter von Kaja Eckert war. "Mom, ich bin kein Baby.", sagte sie trotzdem mit betonter Gelassenheit. Sie war immerhin kein Kind mehr und tausende Fernsehzuschauer hatten sie schauspielern sehen. Sie war definitiv jemand, der auf sich selbst aufpassen konnte. "Ich weiß Kleines.", sagte ihre Mutter dann auch nach passenden Worten suchend, "Ich ... ich wollte dir einfach nur alles Gute hier wünschen." Und nach einigen weiteren Worten verabschiedete sich ihre Mutter endgültig und verließ das Foyer. Jelena blieb zurück und schaute ihr durch das kleine Fenster hinterher. Sie sah ihr noch eine Weile hinterher, wie sie über den weißgestreuten Kiesweg davonlief, drehte sich aber um, als sie hinter sich ein Geräusch zu hören glaubte. Es war jedoch niemand zu sehen und sie blickte sich in dem Foyer um, dass jetzt mit den beiden nach den Seiten abgehenden Bogengängen still und verwaist da lag. Es war wie viele im Mittelalter gebaute Gebäude mit seinen kleinen Fenstern und dicken Mauern trotz der hellen mittäglichen Augustssonne draußen recht dunkel, so dass es nur einer merkwürdig geformten, oranges Licht abgebenden Lampe an der Decke zu verdanken war, dass es nicht noch dunkler war. Es fühlte sich fast ein wenig umheimlich an und Jelena erinnerte sich an das blonde Mädchen, dass ihr noch einen letzten und irgendwie total resignierten Blick zugeworfen hatte. Sie schien echt verzweifelt gewesen zu sein, dachte Jelena mitleidig und erinnerte sich gleichzeitig auch an die stressige Geschichte, die ihr widerfahren war. Und daher war sie beinah froh, als Marie plötzlich aus der Tür hinter ihrem Tresen heraustrat und ihr gestikulierte, herüberzukommen. "Komm her Jelena, wir nehmen jetzt die Messungen vor und machen auch gleich das Foto für deine Chipkarte." ___________________________________ Der kleine Raum, in den Marie Jelena hineingebeten hatte wirkte wesentlich moderner, als das mittelalterliche Gebäude von außen vermuten ließ. Ein riesiger Flachbildschirm hing an der Wand und die Empfangsfrau stand lächelnd neben an einem wandmontierten Tisch mit einem Keyboard und einem grauen Kasten darauf. Daneben war eine nur von einem Vorhang abgetrennte Nische, die wie eine Umkleinekabine aussah und daneben noch eine Tür mit einem gelben Warndreieck mit einem Biogefahrschild darauf. "Pass auf.", sagte Marie fröhlich, "Du musst jetzt deine Sachen ausziehen. Unterwäsche kannst du anbehalten, wenn sie nicht zu locker ist, obwohl das meist nur ein Problem mit den Jungs ist. Bei dir spielt es nur eine Rolle, wenn du einen gepolsterten beziehungsweise Push-up BH hast. Den müsstest du ablegen. Dann gehst du durch die hintere Tür in den Vermessungsraum. Keine Angst, wegen dem Schild. Es ist dort nur aus rechtlichen Gründen wegen des Lasers." Jelena war etwas irritiert, nickte aber. "Laser?" "Ja, du wirst merken, dass hier alles trotz des alten Gebäudes alles hochtechnisiert ist und vollautomatisiert läuft. Jedenfalls gehst du dann in den Vermessungsraum und trittst auf die roten Fußfelder und wartest, bis der Computer dir sagt, dass du wieder rausgehen kannst. Ach so, deine Haare. Mach sie in einen kurzen Pferdeschwanz oder nimm eine der Kappen, die in der Umkleidekabine liegen, ok?" Jelena nickte erneut. "Und wie geht das da drin?", fragte sie etwas nervös, so dass Marie auflachte. "In der Vermessungskammer ist ein Laserscanner, der dich komplett abtastet. Für alles weitere musst du die Techniker fragen, aber du kannst mich jederzeit hören über die Gegensprechanlage. Einfach reden, ok?" Die Fünfzehnjährige nickte schwach und verschwand hinter dem Vorhang der Umkleidekabine, die nur eine kleine Bank und einen Wandspiegel enthielt. Zum Glück war sie nicht klaustrophobisch dachte sie, denn es war ziemlich eng, doch dann zuckte sie mit den Schultern und begann sich auszuziehen. Sie schlüpfte aus ihren Ballerinas, legte ihr Halstuch und die Bluse ab und dann den kurzen Rock, bis sie nur noch in ihrer weißen Unterwäsche da stand. Der Slip schien ihr eng genug, um den Anforderungen zu entsprechen. Sie war sich nicht sicher bei dem BH. Es war ein Push-up Modell, obwohl es nach Meinung ihrer Mutter eigentlich unnötig war. "Aber sie machen doch keine Fotos, oder?", fragte sie durch den Vorhang, wo man Marie lachen hörte. "Nein, du kannst ganz unbesorgt sein. Ich seh' hier nur Zahlen und Nummern.", sagte sie, während Jelena sich mit einem auf der Bank bereitliegenden Haargummi, die schulterlangen braunen leicht gewellten Haare zusammenband. Sie blickte erneut zu dem Spiegel. Nicht schlecht, dachte sie zufrieden. Ein mittelgroßes hübsches Mädchen mit einer guten durch leichtes Training geformten Figur schaute sie an. Sie grinste und fuhr über ihre Kurven, von denen sie wusste, dass sie den Jungs gefielen. Ebenso wie ihre hübschen etwa eine handvoll großen Brüste mit den für junge pubertäre Mädchen typischen kleinen Spitzen, die durch den BH drückten Sie räusperte sich und entfernte den BH, so dass ihre schönen, leicht aufwärts geschwungene Kugeln heraussprangen. Dann atmete sie durch und schritt durch die hintere Tür, die auch wieder dieses gelbe Biogefahrschild aufgeklebt hatte. Sie war tief beeindruckt von dem was sie dann sah und sie fühlte sich an einen Bericht über Körperscanner erinnert, die man in einigen noblen Bekleidungsgeschäften probeweise installiert hatte. Aber das hier sah mehrere Generationen fortschrittlicher aus. Ein kreisrunder futuristischer Raum, etwa 2,50 im Durchmesser, mit glatten Plastikkacheln ausgekleidet und einem dicken Glasboden, unter dem ein Haufen Elektronik und Platinen zu sehen waren. Auf der Glasfläche zwei aufgeklebte rote Gummifußabdrücke, etwa einen Meter auseinander. Sie würde ganz schön aufgespreizt dastehen, dachte sie unsicher und zuckte mit den Schultern. Dann ging sie auf die Glasplatte und ein elektronisches Summen ertönte. "Du musst auf die roten Abdrücke.", hörte man von irgendwo aus einem Lautsprecher. Das Mädchen zuckte bei Maries Stimme zusammen. Es hatte sich angehört, als ob sie direkt neben ihr stehen würde, so klar war sie zu hören. "Können sie mich sehen?", fragte sie daher und legte wie automatisch die Hände vor ihre sich entwickelnden Mädchenbrüste. "Nein.", sagte Marie durch den Lautsprecher, "Der Computer sagt mir nur, dass du falsch stehst. Und keine Angst, das Glas trägt 400 Kilo." Jelena murmelte etwas zustimmendes und stellte sich ihre schönen schlanken Beine auseinanderspreizend auf die roten Fußfelder. Diesmal kam ein elektronisches Piepen. "Die Arme weit zu den blauen Hand-Markierungen ausstrecken.", sagte eine weibliche Computerstimme, "Und zu dem grünen Kreuz blicken." Die Schülerin war etwas beschämt, wie entblößt sie da stand, folgte aber den Anweisungen. "Körper durchstrecken." Jelena gehorchte. "Einatmen und Augen schließen." Das Mädchen zögerte kurz und die Stimme wiederholte sich. "Augen schließen." Sie machte die Augen zu. "Nicht bewegen." sagte die Computerstimme mehrmals, als auf einmal ein metallisches dumpfes Klacken erklang, "Vorgang eingeleitet." Es war ein unangenehmes Gefühl, so nackt und ohne zu sehen zu stehen, aber nach vielleicht einer halben Minute war es bereits vorbei und man hörte, wie das Klacken erstarb. "Fertig, Jelena.", hörte man Marie sagen, "Du kannst dich jetzt anziehen." Jelena zuckte mit den Schultern und ging zurück in die Umkleidekabine. Als mit dem Ankleiden fertig war, fand sie jedoch zu ihrer Überraschung im Computerraum neben Marie eine weitere Person, ein vielleicht siebzehn-, achtzehnjähriges Mädchen in einer tadellos sitzenden Schuluniform vor, die sie emotionslos anschaute. Sie war beinah irritierend hübsch und Jelena fragte sich mit einem leichten Minderwertigkeitsgefühl, ob hier jeder so attraktiv war. "Das ist Ernestine.", sagte Marie derweil, "Jeder Neue bekommt zur Orientierung einen Tutor aus einem der höheren Jahrgänge, der auf ihn aufpasst." "Hallo Jelena.", sagte das andere Mädchen und blickte dann zu dem Flachbildschirm an der Wand, der jetzt endlose Zahlenkolonnen ausgab. Völlig unverständlich, dachte Jelena, doch am Ende wurde es etwas klarer und plötzlich stoppte die Ausgabe. "Ah.", sagte Marie, "da haben wir's. Größe 1,65 m, Unterbrustumfang 72 cm, Brustumfang 86, macht einen 70B Cup, Taille 70, sehr schön, Hüfte 88 cm und Gewicht 55 kg." Es war der fünfzehnjährigen etwas peinlich, wie Marie ihre Daten vor der anderen so einfach herunterspulte, doch sie sagte nichts. Sie musste im Sommer zwei Kilo zugenommen haben, doch zum Glück sah sie gut dabei aus. "Hm.", machte sie und schaute unsicher zu Ernestine, die nur herablassend mit den Schultern zuckte und zu Marie sah. "Deine Daten gehen gleich zur Schneiderei.", sagte diese, doch bevor Jelena fragen konnte, was das hieß, ertönte plötzlich ein elektrisches Summen hinter ihnen. Es kam von dem grauen Kasten und Marie lächelte. "Das ist dein Band und die Karte.", sagte sie und öffnete eine Klappe an dem grauen Kasten. Sie holte, neugierig von Jelena betrachtet ein langes grünes Band, ein kleines grünes Armband mit einer Art Aluminiumschelle, wie bei einem Vogelring und eine weiße Plastikkarte hervor. "Sehr schön.", grinste Ernestine und schaute gelangweilt auf den Flachbildschirm, wo jetzt eine Großaufnahme von Jelenas Gesicht auf einer Art Ausweis zu sehen war. Ihr Name, Geburtsdatum und einige Zahlen standen darauf und sie begriff, dass es eine Abbildung der Chipkarte war. Sie war jedoch erstaunt, dass sie auf dem Bild bereits eine blaue Schuluniform und ein grünes Halstuch trug. Offenbar retuschiert, dachte sie und erinnerte sich daran, dass das weinende Mädchen ein gelbes Halstuch getragen hatte,während Ernestine ein orangenes trug und Marie ein weißes. "Haben die Farben was zu bedeuten?", fragte Jelena daher und schaute zwischen den beiden hin under Ernestine verdrehte nur die Augen, als ob sie etwas völig bescheuertes gefragt hätte, doch Marie lächelte. "Grün ist für neue, dann kommt gelb, dann orange und schließlich braun. Verwaltung hat weiß und es gibt noch einige weitere Farben, die aber nur in Sonderfällen vergeben werden." Jelena fragte sich was das war, doch sie unterließ es zu fragen, da Marie sie jetzt bat, ihren Arm auszustrecken. "Warum?", fragte sie, doch die junge Frau hatte ihr bereits das kleine grüne etwa einen Zentimeter breite Band um das Handgelenk geclipt. Es sah aus, wie eines dieser Armbänder, die man im Schwimmhalle für den Schlüssel bekam, dachte sie und schaute auf den Aluminiumclip. Er wirkte nicht, als ob man ihn so leicht lösen konnte, doch Marie hängte ihr bereits das lange grüne Band mit der Chipkarte um den Hals. "Bitteschön.", sagte die ältere und grinste, "Nicht verlieren, den brauchst du als Schlüssel, um überall rein und rauszukommen." Das hatte sie also vorhin mit hochtechnisiert gemeint, dachte Jelena beeindruckt, obwohl ihr das glanze gleichzeitig etwas unheimlich war. "Wozu das Armband?", fragte sie einsilbig. Marie lachte. "Die Schüler verlieren immer ihre Kennkarten.", sagte sie, "Da haben wir die Armbänder als Notlösung eingeführt. Sie haben eine etwas eingeschränkte Funktionalität, aber sie funktionieren sonst genauso, wie die Kennkarte bei Türen. Einfach vor die runden Metallfelder in der Wand halten." Jelena nickte noch mehr beeindruckt. Automatische Türen. Sie begriff jetzt auch, wozu diese runden etwa handflächengroßen polierten Metallflächer neben den Türen waren und wieso es hier außer an den Haupttüren keine Schlüssellöcher gab. "Und?", meldete sich da Ernestine und man sah an ihrem Gesichtsausdruck, dass sie los wollte. Marie nickte. "Wir sind dann hier fertig.", sagte sie und griff nach Jelenas Rucksack auf dem Boden, "Hier. Ernestine bringt dich jetzt zur Schneiderei und dann in dein Quartier, wo du duschen und deine Mitschüler und Mitbewohnerin kennenlernen kannst. Wenn du Fragen hast, frag Ernestine oder melde dich bei mir." Ernestine grinste herablassend und schaute dann zur Decke, während Marie die Tür zum Foyer hin öffnete und die beiden hinausließ. Freundlich winkte sie den beiden hinterher und ließ sich dann ihren Ledersessel fallen, während sie sich genießerisch über die Lippen leckte. Die Kleine war wirklich süß, dachte sie unbewusst tief den aromatisch-süßlichen Geruch, den sie längst nicht mehr wahrnahm einsaugend und fuhr sich langsam mit der Hand über den elektrisch knisternden Stoff ihres im Schritt feuchten Rocks. ___________________________________ Jelena folgte derweil Ernestine durch einen parkartigen Bereich hinter dem Haus und hatte tausende Fragen. Aber die ältere hatte offensichtlich nicht die leiseste Absicht, sich mit ihr zu unterhalten und so beschränkte sich Jelena darauf die Gegend zu betrachten. Es war eine waldreiche hügelige Gegend und man sah am unteren Hand des Hügels auf dessen Spitze der kleine Park lag, einen kleinen Bach und dahinter ein weißes modernes Glas- und Stahlgebäude durch die Kiefern schimmern. Es sah irgendwie merkwürdig und total futuristisch aus, aber da es inmitten des Zauns lag, musste es wohl zum Gymnasium gehören. Der Kiesweg, auf dem sie liefen führte jedoch nicht dorthin, sondern auf eine weitere bewaldete Anhöhe, hinter der Jelena die restlichen Gebäude vermutete, die sie von dem Prospekt und der Webseite kannte. Das Quartier für die Schüler, die Schwimmhalle, auf die sie sich besonders freute, die Cafeteria, das Schulgebäude und so weiter. Doch Ernestine erklärte überhaupt nichts, bis Jelena es schließlich nicht mehr aushielt und sich räusperte. "Bist du schon lange hier?" Aber Ernestine hatte kein Interesse an Konversation. "Wie hießt du gleich nochmal?", fragte sie nur abrupt stehen bleibend und funkelte das jüngere Mädchen an. "J-jelena.", antwortete die Fünfzehnjährige kleinlaut. "Was ist das für ein bescheuerte Name?" Jelena zuckte beleidigt mit den Schultern. "Meine Mutter mochte Helena und da mein Opa aus Russland kommt und wir in Jena leben, machte sie Jelena draus.", sagte sie trotzig und fragte sich, ob Ernestine so viel besser war. "Hm.", machte diese derweil und sie gingen schweigend ein Stück, als man am Fuß des Hügels jetzt Bewegung und Geräusche bemerken konnte. Jelena blickte neugierig hinab und sah eine Gruppe von vielleicht zwölf-, dreizehnjährigen Mädchen in dunkelblauen engen Radlershorts und weißen knappen Poloshirts in Zweierreihen erstaunlich schnell und geordnet einen Waldpfad entlangrennen. Sollte das etwas die Sportkleidung sein, fragte sie sich und schüttelte leise den Kopf, als sie bei den meisten Mädchen die im Laufrhythmus schwingenden Brüste durch die körperengen Shirts drücken sah. Für Zwölf, Dreizehn hatten einige, eigentlich alle, ziemlich große Brüste, kaum eine weniger als B-Cups und sie versuchte sich zu erinnern, wie sie mit mit Dreizehn ausgesehen hatte. Sicherlich nicht so. "Wer sind die?", versuchte Jelena erneut ein Gespräch anzufangen, doch Ernestine unterbrach sie. "Hör zu ...", sagte sie sauer und griff nach Jelenas Kennkarte, "Mississ Jelena Coralie Tralala was auch immer, ich bin nicht hier, um für dich den Scheißbabysitter zu spielen und ich will auch nicht deine allerbeste Freundin sein, also nerv mich nicht, ok?" Jelena verzog das Gesicht und ein wehmütiger Ausruck zog ungewollt über ihr Antlitz, so dass Ernestine sich doch zu einer Erklärung aufschwang. "Das sind die Unterstufen.", erklärte sie rau und zeigte auf den etwa 800 Meter entfernten futuristischen Glas-, Stahl- und Betonbau unterhalb des Baches, "Sie sind in dem neuen Gebäude da unten untergebracht und wir haben nicht viel mit ihnen zu tun, bis zur Zehnten. Dann zieht man um in das alte Gebäude, wo wir sind. Also schlag sie dir aus dem Kopf." Sie beschleunigte ihren Schritt, so dass die verwirrte Jelena nicht fragen konnte, was die ältere mit dieser Bemerkung gemeint hatte. ___________________________________ Die Schneiderei, von der Marie gesprochen hatte lag in einem kleinen Haus, dass in seinem Stil dem Gebäude der Unterstufen entsprach. Mit seiner kalten Glas und Stahlbauweise sah es daher überhaupt nicht so aus, wie Jelena sich eine Schneiderei vorstellte und auch im Inneren wirkte das menschenleere Gebäude karg und abweisend. Das einzig angenehme war diese leicht süßlich-aromatisch Geruch, den Jelena beim Betreten des Gebäudes wahrgenommen zu haben glaubte. Sie überlegte, ob es eine Art Raumlufterfrischer war, der hier anscheinend flächendeckend verwendet wurde, aber bevor sie den Geruch genauer identifizieren konnte, war er bereits nicht mehr wahrnehmbar und Jelena vergaß das Ganze. Ernestine steuerte derweil unbeeindruckt auf einen großen Tresen zu, ähnlich dem im Foyer des Verwaltungsgebäudes, nur dass hier niemand dahinter saß. Irritiert blickte Jelena zu Ernestine, die jedoch nur grinste und auf eine Tür in der einfachen Betonwand deutete. "Deine Karte.", sagte sie und schaute genervt. Jelena stutzte einen Augenblick, begriff aber dann und nahm ihre Karte in die Hand und ging zu der Tür, wo sie die Karte vor eines dieser handflächengroßen polierten runden Metallfelder hielt. Es gab ein elektronisches Piepen und die Tür schwang mit einem Zischen auf. "Eintreten.", sagte eine Computerstimme, während in dem Raum eine Lampe ansprang und alles in ein orangenes warmes Licht tauchte. Es war wie vorhin nicht wirklich hell, aber ausreichend, um alles zu erkennen. Ein kleiner Lagerraum mit langen Reihen von Stahlfächern wie bei einer Leichenhalle. Es war etwas furchteinflößend, aber Jelena machte ein cooles Gesicht und folgte Ernestine zu einem Fach, dass nicht wie die anderen aussah und sich als Flachbildschirm mit Touchscreen entpuppte. Ernestine tippte grob mit der Hand dagegen und schaute vorwurfsvoll zu dem runden Metallfeld, während der Bildschirm grün aufleuchtete. "Entschuldigung.", sagte Jelena leise und hielt die Chipkarte vor das Metallfeld. Auf dem Bildschirm leuchtete ihr Name auf und wieder diese typischen Zahlenkolonnen. Dann wurde eine Reihe von Kleidungsstücken angezeigt und dahinter die Anzahl. "Dein Zeug.", sagte Ernestine zynisch und zeigte auf eine Klappe, die im Hintergrund zischend aufging, "Frisch aus der Retorte." Eine Platte kam aus der Öffnung herausgefahren und darauf mehrere Pakete. "Ist da auch so ein Jacket drin?" Ernestine verdrehte die Augen. "Standardjacket, Halstuch, unser geiler Standardrock, Standardstrümpfe.", ätzte sie und grinste, "Badeanzug, Sportzeug ..." "Etwa diese Radlerhosen?", fragte Jelena kritisch, die sich an die Achklässler erinnerte, die sie auf dem Weg gesehen hatten. Sie war nicht prüde, aber diese knappen Dinger gefielen ihr gar nicht. "Jepp ... BH, Höschen ..." "Was?!" Ernestine grinste. "Ja, aber du kannst eigene nehmen, wenn sie nicht gegen die Vorschriften verstoßen?" "Vorschriften?!", fragte Jelena entsetzt, während die ältere nur den Kopf schüttelte. "Sag mal, hast du dir mal die Schulverträge durchgelesen?! Da steht doch alles drin." Jelena hatte sich natürlich nicht alles durchgelesen, aber darauf vertraut, dass ihre Eltern das getan hatten. "Meine Eltern.", sagte sie kläglich. "Dann werden sie's auch gelesen haben und einverstanden sein. Oder denkst du, dass deine Eltern jedes mal Lust darauf haben, von der Schule angerufen werden, wenn du eine Spritze kriegst oder dir eine Windel wechseln musst?" "N-nein, aber ..." "Na dann jammer nicht, das läuft hier bei uns allen so und davon abgesehen, das Zeug ist gut, sitzt wirklich einwandfrei. Wahrscheinlich wirst du irgendwann sogar mehr davon wollen." Jelena seufzte auf und musterte die andere aus dem Blickwinkel. Das dunkelblaue enge taillierte Schuljacket mit der weißen Bluse mit weitem V-Kragen darunter. Das orangene gedrehte Halstuch. Es sah nicht schlecht aus, ebensowenig, wie der farblich zum Oberteil passende knielange Rock und die schwarzen Kniestrümpfe. "Aber damit sieht man aus, wie aus einem Manga.", sagte sie. Ernestine lachte auf. "Quatsch.", sagte sie und schüttelte den Kopf, "Hast du dir mal japanische Schuluniformen angesehen? Die sehen aus wie Matrosenuniformen. Wie auch immer, schnapp dir jetzt dein Zeug. Du hast mich schon genug Zeit gekostet." ___________________________________ 2. Quartier Jelena hatte etwas Mühe, die Kartons mit der Kleidung die Treppe hinauf zu balancieren, aber sie hatte keine Lust gehabt, Ernestine zu bitten, ihr zu helfen, wo diese sich schon die ganze Zeit über ihre Lahmarschigkeit beschwert hatte. Und selbst auf dem Weg von der Schneiderei bis zu dem großen dreistöckigen Gebäude, in dem die Quartiere der Oberstufe untergebracht waren, hatte sie nur zwei kleine Kartons mit deutlichem Widerwillen getragen. Sie war jedenfalls froh, als die Ältere nach dem sie sie vor dem Hauseingang abgesetzt hatte, in Richtung der Cafeteria, über der sich irgendwelche Freizeiträume befinden sollten, abgezogen war. Jelena hat daher zwei unten im Hausflur ungeniert küssende Mädchen gefragt, wo ihr Raum war, doch die beiden hatten sie nur deutlich gestört an den Pförtner verwiesen, der jedoch nicht dagewesen war. Sie hatte daher beschlossen, selbst in die dritte Etage zu gehen, wo nach Auskunft des einen Mädchens die Zimmer der Zehntklässler und ein Lehrerzimmer am Ende des Ganges waren. Oben angekommen stand sie in der Mitte eines nach beiden Seiten etwa zwanzig Meter abgehenden Flurs mit vielen Holztüren an den Seiten. Und sie sah zum ersten Mal eine größere Anzahl von Schülern, worunter sie zum ersten Mal auch zwei Jungs sah. Ihr stand nicht wirklich der Sinn nach Flirten, aber sie hatte es schon seltsam gefunden, dass sie bis jetzt nur Frauen oder Mädchen gesehen hatte. Sie standen in ihren Schuluniformen vor einem Raum, der so was wie ein Aufenthaltsraum sein musste und lärmten. Jelena beschloss, zu ihnen hinüberzugehen und sie zu fragen, als sich plötzlich jemand hinter ihr räusperte. "Noch so ein abgefucktes Asilida-Opfer.", hörte sie jemand abfällig sagen und fuhr erschrocken herum. Eine hübsches Mädchen mit einer roten Weste und schwarzem Minirock in etwa ihrem Alter mit dunkelbraunen wilden schulterlangen Locken schaute auf ihre überall mit dem Asilida-Logo bedruckten Kartons und grinste. "Bist du Cora?", fragte sie dann und musterte Jelena, dass diese erst nicht wusste, was sie sagen sollte. "Je-, also ja, aber eigentlich nennt mich jeder Jelena.", sagte sie und starrte die andere an, "Woher ... ?" "Weil du meine Mitbewohnerin bist. Deine Reisetaschen sind schon da und verstopfen den Gang.", lachte sie und schnappte sich die obersten Kartons, bevor Jelena reagieren konnte, "Na komm." "Danke.", presste Jelena heraus und beeilte sich, der anderen hinterherzugehen, wobei ihr auffiel, dass das Mädchen als einzige außer ihr keine Schuluniform trug. "Keine Ursache.", sagte die andere und grinste, "Ich bin übrigens Alexandra, aber wenn du mich etwas anderes nennst als Alex, töte ich dich." "Ok." sagte Jelena und nickte, etwas eingeschüchtert von der offenen und lockeren Art der anderen. Diese lachte und blickte zu einer Tür vor Ihnen, während sie mit ihrer rechten Hand umständlich nach ihrem Schlüsselband kramte, dass sie offensichtlich in der Tasche ihres schwarzen Minirocks trug. Jelena notierte zufrieden, dass es ebenfalls grün war. "Da ist es.", sagte Alex und deutete auf die Tür, "Wir sollen es eigentlich immer um den Hals tragen." "Was?" Alexandra grinste. "Unsere Hundeleine.", lachte sie und hielt ihre Kennkarte grinsend vor das Metallfeld, über der man ein Namenschild sah, woraufhin die Kiefernholztür entriegelte und sich aufstoßen ließ, "Willkommen in meinem Zimmer." Jelena blickte kurz auf das Namenschild. Ihr voller Name stand darauf und daneben der ihrer Mitbewohnerin, Alexandra Schiller. Dahinter jeweil ein paar merkwürdige Nummern HJCB-991208-37601 bei ihr und ASB-960919-37301. Wie bei einem Ausweis, dachte sie bis sie kapierte, dass die Zahl tatsächlich so aussah, wie der Zeichencode auf Chipkarte. Sie zuckte mit den Schultern und folgte Alex hinein in das Zimmer. Das Zimmer war nicht besonders stark möbliert, aber mit zwei Betten, das linke davon mit ihren Reisetaschen bedeckt, zwei Nachttischchen und jeweils zwei Kleiderschränken geschmackvoll und ausreichend ausgestattet. Alles schön in hellem Holz, doch irgendwie ziemlich eng. Die mit lachsrosafarbenen Bezügen bespannten Betten sahen aus, als wenn sie kaum einen Meter auseinanderstanden. Jelena hatte noch nie so dicht bei jemand anderem geschlafen und Alex, die jetzt hinter ihr die Tür geschlossen hatte, schien ihre Gedanken zu ahnen. "Bisschen eng, was?", fragte sie und ließ sich auf einen gepolsterten Stuhl an einem Tisch neben der glänzenden mit breiten Streifen gemusterten Zimmerwand fallen, "Aber sieh's mal positiv. Wenn ich schnarche, kannst du mir einen Tritt geben." Jelena grinste. "Ich hab' einen tiefen Schlaf.", sagte sie, als ihr plötzlich auffiel, dass die glänzende Wand gar keine Wand war, "W-was ... ist das denn?" Es war eine riesige nur in der Mitte unterbroche Glasscheibe, welche sonst die gesamte linke Seite des Zimmers einnahm und die Querstreifen waren aufgeraute Stellen, so dass es einen Milchglaseffekt gab. "Das ist das Bad.", sagte Alex nur und zuckte mit den Schultern, während Jelena schluckte. Sie stellte die Kartons auf das Bett und trat durch die Lücke in der Glaswand in den komplett gekachelten Nassbereich. Sofort sprang eine dieser hier überall vorhandenen komisch geformten Lampen an und spendete orangenes Licht. Und tatsächlich, am linken Ende des schmalen Bereichs waren eine Duschkabine und rechts eine merkwürdig geformte Toilette. Direkt vor ihr war ein Waschbecken mit einigen Waschutensilien, die offenbar Alex gehörten. "W-wo ... wo ist denn die Tür?", entfuhr es Jelena entsetzt und sie blickte durch die Glasscheibe nach draußen, wo sie Alex sah, die zu ihr blickte, "Da kann man ja alles sehen." Ihre Mitbewohnerin grinste und stand auf, um zu ihr hereinzukommen. "Tja, ist alles etwas gewöhnungsbedürftig, oder?" "Aber hier ist ja nicht mal 'ne Tür!" "Ja, aber das ist bei allen so und man gewöhnt sich irgendwie dran." Jelena verstand ihre Mitbewohnerin nicht, wie sie sich so leicht damit abfinden konnte. "Das stinkt doch.", sagte sie und blickte instinktiv durch die Scheibe in den Schlaf und Wohnbereich, wo man im Hintergrund das Fenster sah. Doch Alex zuckte nur mit den Schultern. "Du wirst dich daran gewöhnen müssen.". sagte sie, "So wie alle hier." Jelena hatte nicht wirklich Lust darauf und schritt aus dem Nassbereich heraus. Sie drehte sich um und man sah, von den nur die Silhouetten zeigenden Querstreifen abgesehen alles. "Ich weiß nicht.", sagte sie dann und ging zu ihrem Bett, wo ihr jetzt schmerzlich bewusst war, dass es direkt neben der Dusche lag. Sie setzte sich neben die Reisetaschen und die Kartons. Alex, die ihr aus dem Bad gefolgt war, setzte sich ihr gegenüber auf ihr Bett. "Mach dir nicht so einen Kopf. Es wird dir hier schon gefallen. Aber du solltest jetzt deine Sachen anprobieren. Es gibt um Zwölf die Eröffnungsrede und du willst vorher vielleicht noch mit Frau Jansen reden." Jelena wusste durch die Korrespondenz ihrer Mutter mit der Schule, dass Frau Jansen die verantwortliche Lehrerin für die Schüler der Klassenstufe 10 war, aber sie hatte im Moment nicht wirklich Lust sie zu sehen. Trotzdem nickte sie und begann, die Kartons neben sich zu öffnen und den Inhalt auf dem Bett auszubreiten. "Wie lang bist du eigentlich hier?", fragte sie und begann sich auszuziehen, "Du hast ja auch noch so ein grünes Band." Alex lachte. "Schon die ganzen Ferien.", sagte sie dann etwas ernster und zuckte mit den Schultern. "Warum nicht zu Hause?", fragte Jelena und hielt kurz inne, als sie merkte, dass sie jetzt nur in Unterwäsche vor ihrer Mitbewohnerin stand. Alex wurde kurz still. "Es gibt eigentlich sowas wie ein Zuhause nicht.", sagte sie, "Meine Mutter ist gestorben als ich Dreizehn war und mein Dad hat das irgendwie nie verwunden. Zwei Jahre ist das jetzt her Er hat seitdem nur seine Arbeit, er ist Vertreter, und seinen Alkohol. Und irgendwann waren wir der Meinung, das wir das hier machen." Jelena war betroffen und wollte nichts dummes sagen. "Tut mir Leid", sagte sie daher nur und legte ihren BH ab, so dass ihre schönen Brüste heraussprangen, "Du bist auch Fünfzehn?" "Ja. Wann hast du Geburtstag?" "Am 8. Dezember.", antwortete Jelena und probierte den Asilida-BH an, "Und du?" "Am 19. September.", sagte Alex und lachte, "Dann bin ich Zimmerälteste und darf entscheiden." Jelena drehte sich um und streckte ihr die Zunge raus. "Wahrscheinlich auch Klassenälteste, was?", fragte sie spöttisch, wobei ihr auffiel, wie perfekt der BH saß. Man spürte ihn nämlich überhaupt nicht, dachte sie anerkennend und griff nach dem dunkelblauen Schulrock. "Kann schon sein, aber ich hab gehört, dass die Klassen ganz schön durchmischt sind." "Ja?", fragte Jelena und zog den Rock, der zwar eng war, aber ebenfalls perfekt saß. "Ja, die haben hier ein Punktesystem, was sich mehr am tatsächlichen Leistungsstand, als einfach nur am Alter orientiert." "Komisch.", entfuhr es Jelena und sie fuhr fort, sich anzukleiden, wobei sie mitkriegte, dass in alle Kleidungsstücke eine Zahlenkombination in der Art von ZZ0000P0012-HJCB-991208-37601 mit ihrer persönlichen ID-Nummer eingenäht war. "Keine Ahnung.", sagte Alex derweil und zuckte mit den Schultern, "Es scheint ganz gut zu funktionieren. Wir haben sogar eine Hochbegabte, die ist erst Dreizehn." "Echt?" "Ja, Kaja Ecker oder so.", sagte Alex und Jelena fiel ein, dass sie den Namen kannte. "Vielleicht Eckert? So eine niedliche zarte Blonde?", fragte sie und dachte an das weinende Mädchen im Foyer. "Weiß ich nicht, ich kenn' hier auch kaum jemand von diesen Freaks. Ich hab's nur gehört." Jelena nickte abwesend und stopfte sich die weiße Bluse unter den Rock, während sie Alex einen Moment nur schweigend musterte. "Sieht richtig gut aus.", sagte sie dann und grinste, "Scheiße angepasst, aber auch scheiße gut." Jelena grinste. "Und sitzt auch gut, muss ich echt sagen." "Na bitte.", sagte Alex, als plötzlich flackerndes Licht hinter ihr anging. Sie drehte sich irritiert um und sah das Bild einer moderat attraktiven dunkelhaarigen Frau in ihren Vierzigern, dass offenbar von irgendwo her auf die Glaswand neben Jelenas Bett projeziert wurde. "Hallo.", sagte die Frau freundlich, "Du bist Jelena Herrmann, nicht wahr?" Die angesprochene nickte, erstaunt über die krasse Technologie, mit der die Lehrerin so plötzlich in ihr Zimmer getreten war. "Hallo Frau Jansen.", sagte derweil Alex mit offensichtlich gespielter Freundlichkeit und man sah, wie das Gesicht der Frau einen genervten Ausdruck bekam. "Alexandra.", sagte sie deutlich mißgestimmt, "Warum hast du deine Schuluniform nicht an? Direktor Brandt hält in einer halben Stunde seine Eröffnungsrede und du hast schon eine Verwarnung. Also mach dich jetzt fertig. Und du kommst bitte noch einmal in mein Büro. Zimmer 323." Jelena nickte instinktiv, doch der Bildschirm war bereits erloschen und nichts erinnerte mehr an das Gespräch, so dass sie automatisch zur Decke schaute, wo neben der komisch geformten sanft orange leuchtenden Lampe ein kleiner silberner Zylinder war, der ihrer Meinung nach der Beamer war. "Wow.", sagte sie leise, "Die sind technisch echt auf dem neuesten Stand." Alex grinste. "Das war noch gar nichts, Hübsche.", sagte sie und stand auf, um ihre rote Weste abzuwerfen, "Du kommst dir hier vor wie auf der Enterprise." "Hm.", machte Jelena und zog sich das Jacket an, "Was meinte sie mit Verwarnung? Hast du hier Ärger?" "Ich hab schon wieder 'nen paar Punkte gekriegt, aber die Jansen übertreibt. Die mögen hier nur keine Individualisten wie mich." "Ok?" Alex verstand nicht recht und zuckte mit den Schultern "Ich mach' halt nicht gern, was man mir vorschreibt und hier schreiben sie dir viel vor.", sagte sie und seufzte, "Aber du solltest jetzt zu unserem sanften Monster gehen. Und sorg' bloß dafür, dass deine Uniform richtig sitzt oder sie kriegt einen Herzinfarkt" Sie lachte und griff nach Jelenas grünem Halstuch auf dem Bett und half ihr, es anzulegen, bevor sie sich wieder sich selbst widmete. Jelena bedankte sich und zog sich noch schnell die schwarzen Strümpfe und Schuhe an, die ebenso wie alles andere hervorragend saßen und kaum am Körper zu spüren waren, obwohl sie wusste, dass die Sachen unheimlich körperbetont geschnitten waren. Dann schnappte sie sich das lange grüne Band mit der Kennkarte und ging zügig aus dem Zimmer, wo ihr auf dem Flur jetzt etwas mehr Mädchen in blauen Schuluniformen begegneten, die sie neugierig anstarrten. Sie registrierte dabei, dass die meisten gelbe Halsbänder zu tragen schienen und fühlte sich etwas minderwertig, obwohl sie von ein oder zweien auch das Gefühl hatte, dass sie sie vom Fernsehen wiedererkannten. Doch niemand sagte etwas und sie ging weiter an der gruppe in Richtung des Lehrerzimmers, als ihr plötzlich noch einmal das Bild von Frau Jansen vor Augen hatte. Und diesmal schrak sie zusammen, denn sie begriff, dass wenn sie die Lehrerin sah, diese sie auch sehen musste. Irgendwo in dem Zimmer war eine Kamera. ___________________________________ Das Gespräch mit Frau Jansen war kurz gewesen und die Sache mit der Kamera hatte Jelena natürlich nicht angesprochen. Die Lehrerin hatte sich statt dessen kurz vorgestellt und Jelena willkommen geheißen, obwohl das Mädchen die ganze Zeit das Gefühl gehabt hatte, dass sie nicht recht wusste, was sie mit ihr anstellen sollte. Denn von dem wenigen, was die Lehrerin sagte war eines klar. Dass es offenbar ein Fehler gewesen war, dass dieses Jahr überhaupt Schüler zugelassen worden waren, da dies normalerweise nur alle zwei Jahre geschehen würde. Anscheinend hatte jemand also eine Fehlentscheidung getroffen, aber auf ihre ängstliche Frage hin, ob sie jetzt wieder weg müsste, hatte die Frau nur gelacht und gesagt, dass es kein Problem wäre. Irritiert war Jelena trotzdem deswegen und zu allem Überfluß hatte sie Frau Jansen erst zehn vor Zwölf mit ein paar Flyern herausgelassen, so dass sie Alex nicht mehr aufgefunden hatte und stattdessen gleich mit ihrem Schwimmzeug zur Turnhalle gegangen war, wohin jetzt eine erstaunliche Anzahl von Schülern aller Altersstufen aus allen Richtungen strömten. Und alle trugen die gleiche blaue Schuluniform, wie Jelena es sonst nur aus dem Fernsehen kannte. Wie in einem Ameisenstaat, dachte sie und verzog etwas den Mund. Denn sie sah leider niemanden, der sonst ein grünes Halstuch trug. Und da sie auch sonst niemanden kannte, ließ sie sich von dem Strom mittreiben, bis sie irgendwann in der großen modernen Turnhalle angekommen war, die auch als Aula genutzt wurde und jetzt mit hunderten perfekt ausgerichteten Stühlen vollgestellt war. Für eine Sekunde hatte Jelena sogar die Befürchtung, dass die Stühle nummeriert waren, doch dem war nicht so und so suchte sie sich eine der hinteren Reihen neben der jetzt eingefahrenen Zuschauertribüne aus, wo sie sich mit einem kurzen Gruß neben eine hübsche braunhaarige in etwa ihrem Alter setzte, die grinsend die Bemühungen einer Cheerleader-Truppe verfolgte. Das Mädchen schaute zu ihr. "Hi Jelena.", sagte sie dann nache einem kurzen Blick auf ihr grünes Halstuch und Schlüsselband, "Erstie?" Die Angesprochene schaute verblüfft. "H-hi ... kennen wir uns?", fragte Jelena, da sie nicht glaubte, das die andere sie vom Fernsehen kannte. "Steht doch da.", sagte die andere und zeigte lachend auf Jelenas Brust, "Ich bin übrigens Viktoria. Vicky oder Vi reicht aber auch." Sie tippte sich an die Brust und jetzt begriff Jelena auch. Unter dem Asilida-Logo war in goldgelben Buchstaben ihr Name und etwas kleiner sogar ihre Nummer eingestickt und sie fragte sich, warum es ihr nicht schon eher aufgefallen war. "Oh.", sagte sie und musterte die andere, "Das hab' ich noch gar nicht gesehen." "Gibt viel zu lernen am Anfang.", sagte Vicky und nickte, "Ich wusste gar nicht, dass dieses Jahr aufgenommen wird." "War anscheinend 'ne Sonderregelung.", gab Jelena grinsend zurück und zuckte mit den Schultern, "Bringt jetzt wohl die ganzen Farbcodes durcheinander. Und ich hab die schon wieder vergessen." Vicky lachte. "Es hat zwar nur indirekt was mit den Klassen zu tun, weil eher das Punktesystem enscheidend ist, doch merk' dir einfach Grün für neue, Gelb nach ungefähr einem halben Jahr, dann orange und schlußendlich braun.", sagte sie schnell und deulich, "Nicht weiter schlimm oder? Ich frag' mich nur, warum sie die Farben nicht jedes Jahr ändern. So ist es doch Verschwendung." Jelena war etwas verblüfft wie schnell und strukturiert die Braunhaarige ihre Gedanken formuliert hatte. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit etwas eingeschüchtert wieder auf die Cheerleadergruppe, die um das Podium mit einem Mikrofonpult herum ihre Darbietungen für das Publikum in der jetzt etwa zu zwei Dritteln vollen Turnhalle aufführten. Mehrere extrem hübsche und knapp in noch kürzere Versionen der Schuluniform gehüllte supersportliche Mädchen zwischen vielleicht sechzehn und zwanzig Jahre wirbelten in beeindruckenden Pirouetten über ds Podium und Jelena fühlte sich erneut ein wenig minderwertig. Ihre Nachbarin musterte sie derweil, als sie plötzlich grinste. "Du bist doch diese Zicke Miriam aus Schloss Einstein, oder?" Jelena zögerte einen Moment. Sie war schon öfter erkannt worden, aber angenehm war es ihr nie gewesen, vor allem, weil sie privat auch so ganz anders war, als ihre Rolle. Davon abgesehen, war das ein Jahr her und sie hatte jetzt auch einen ganz anderen Stil. Sie räusperte sich und nickte dann. "Gute Augen.", sagte sie und errötete etwas, worauf die andere triumphierend lachte. "Wusste ich doch.", sagte sie, "Ich hab ein eidetisches Gedächtnis." "Ei-n was?" Vicky lachte. "Dass heißt, dass ich mir im Prinzip alles merke, was ich mal gesehen habe." "Ohh.", machte Jelena und nickte anerkennend, obwohl sie es eher ein wenig zum Fürchten fand, "Wirklich alles?" "Naja.", sagte Vicky, "Ich bin andererseits auch selektiv aufmerksam. Ist also interessenabhängig." Sie grinste erneut und schaute zu ein paar Jungs, die ein paar Reihen vor ihnen Platz nahmen. Es gab also doch noch welche, dachte Jelena, richtete ihre Aufmerksamkeit aber wieder die Cheerleadertruppe. Für mehrere Minuten boten sie ihr Schauspiel und der Saal füllte sich weiter, als die Mädchen schließlich Punkt Zwölf ihre Darbietung unterbrachen und eine von ihnen, eine durchtrainierte Blonde mit einen süßen Puppengesicht und strahlenden blauen Augen zu dem Mikrofonpult ging. "Achtung, Leute.", sagte sie fröhlich und strich sich niedlich durch die schulterlangen Haare, "Würden jetzt bitte alle für die Schulhymne aufstehen." Der Saal gehorchte pflichtschuldigst und eine poppig klingende Melodie erklang aus großen Lautsprechern an der Decke der Turnhalle. Jelena studierte derweil gelangweilt die blonde am Mikrofon, deren blondes schönes sanft welliges Haar beim Mitsingen leicht hin und herwogte. Die anderen Cheerleader standen dabei um sie herum und man sah, wie sie sich etwas an ihr orientierten. "Wer ist sie?", flüsterte Jelena zu Vicky, deren Gesichtsausdruck kurz etwas verächtliches bekam. "Uähh.", machte sie nur mühselig ein Schimpfwort unterdrückend, "Die Blonde? Das ist Lena Schneidewind aus der 13., sie ist die Vorsitzende des Schülerrats. Interessant übrigens, dass sie's immer noch ist ... Sie war es angeblich schon, bevor Asilida hier vor drei Jahren anfing und alles umgekrempelt hat. Mittlerweile sind fast alle alten Lehrer weg, wir kriegen alle zwei Jahre einen Haufen Neue, aber sie ist immer noch da ... denk mal drüber nach. Wie auch immer, der hyperaktive Freak da rechts neben ihr mit den dunklen langen Haaren ist meine große Schwester Sophie, ok Halbschwester ... sie ist Kapitän der Cheerleadertruppe, Redakteurin bei der Schülerzeitung, Lehrerliebling, Trendgirl und Modeopfer ..." Vickys Tonfall war deutlich negativ und man merkte gleich, dass es zwischen den beiden nicht zum besten bestellt war. Jelena ignorierte es und schaute zwischen beiden Schwestern hin und her. Doch sie sahen sich nicht wirklich ähnlich. Beide hatten lange dunkelblonde beziehungsweise bei Vicky schon ins braune gehende Haare, aber damit endeten die Gemeinsamkeiten auch schon, wenn man davon absah, dass beide sportliche schlanke Figuren hatten. Es war aber hauptsächlich die Ausstrahlung, die sich unterschied. Denn während Vicky viel ernster wirkte, sah Sophie aus, wie ein Kind, dass zu viel Zucker gegessen hat. Ironischerweise war es ihre jüngere Schwester, die ein leichtes Akneproblem hatte. Sie wollte noch etwas fragen, als es plötzlich ruhig wurde und die Blonde wieder das Wort ergriff. "Danke alle zusammen.", sagte sie enthusiastisch, "Es ist gut wieder hier zu sein. Und ich weiß, dass es dieses Jahr besser als je zuvor sein wird. Und ich bitte jetzt um einen großen Applaus für den Grund dafür. Unser neuer Direktor, Herr Georg Brandt!" Sie und fast automatisch auch die gesamte Cheerleadergruppe begannen zu schreien und zu hüpfen, während das Publikum etwas weniger begeistert klatschte. Ein gepflegter gut situiert wirkender Mann Ende Vierzig in einem dunkelblauen teuren Anzug trat auf das Podium. "Danke Lena.", sagte er energisch und lachte, "Und Guten Morgen alle zusammen! Es ist toll, hier zu sein!" Er machte eine Pause, um einen Schluck aus einer Wasserflasche mit dem Asilida-Logo zu nehmen und für eine Sekunde musste Jelena an die Serie Lost denken. Dieses Logo war hier wirklich überall, doch der Mann sprach bereits weiter. Und Jelena konnte nicht wirklich einen Grund dafür nennen, doch Jelena hasste und verachtete ihn automatisch. Er hatte so ein typisches öliges Lächeln und die Art, wie er es nutzte erinnerte Jelena an einen schmierigen Immobilienhändler oder einen korrupten Politiker. Sie fragte sich ernsthaft, wie er diesen Job bekommen hatte. Sie schaute sich angewidert um, doch sie hatte das Gefühl, dass sie nichts registrierte außer Anerkennung, milder Langeweile oder ... Sie schrak zusammen und ihre blauen Augen wurden groß. Der Anblick war so unerwartet und unpassend, dass sie verblüfft hustete. Denn zu ihrer linken, wo die eingefahrene Zuschauertribüne war, saß auf der untersten Stufe, zwar ganz hinten, aber völlig im Freien ein ausnehmend schönes Mädchen und masturbierte. Jelena war fassungslos und sie fragte sich, ob sie etwas falsch mitgekriegt hatte. Gegen ihren Willen starrte sie zu der etwa achtzehnjährigen, ohne sich abwenden zu können. Aber da war kein Zweifel möglich. Man sah deutlich, wie das Mädchen oder die junge Frau sich rhythmisch sanft vor und zurück bewegte, so dass ihre langen glatten braunen Haare leicht hin und her schwangen. Von Jelenas Platz war klar zu erkennen, wie die schöne Brünette jetzt ihre Hand noch doller ihrer Hand in den Stoff ihres Rocks über dem Schritt presste und methodisch ihre Finger vor und zurückbewegte. Es war fast hypnotisch, als Jelena plötzlich merkte, dass die Finger stoppten und die Fünfzehnjährige merkte entsetzt, dass die junge Frau direkt zu ihr herüberschaute. Das von sanften Wellen gerahmte engelsgleiche Gesicht der Brünetten wirkte dabei jung und unschuldig und irgendwie musste Jelena an den Direktor denken, der so ziemlich das Gegenteil ausstrahlte. Die Brünette hielt derweil Jelenas Blick wie gefangen und das Mädchen sah, wie die andere ihren Finger erneut in ihren Schritt presste. Und als ob es nicht schon schlimm genug war, zog sie sich plötzlich den blauen Schulrock weit hoch und griff mit der Hand darunter, um ein Stück roten Stoffs, offenbar ihr Unterhöschen hervorzuziehen. Absolut krass, dachte Jelena nur und schluckte, bei dem was sich hier gerade abspielte. Sie konnte es einfach nicht glauben und registrierte panisch, dass sie nicht in der Lage, ihren Blick von dem seltsam faszinierenden Schauspiel abzuwenden. Und so starrten die beiden einander mit geöffneten Lippen, schockiert oder erregt an, während die Brünette sich still weiterfingerte. Bis ihr Körper plötzlich anspannte und sie nach einigen Sekunden des Verharrens ihre Hand unter dem Rock hervorzog und sich das verknitterte Kleidungsstück wieder bis zu den ebenmäßigen Knien herabzog und dann Jelena einen Luftkuss herüberblies. Jelena wandte sich entsetzt ab und starrte zurück zu Direktor Brandt. "... und daher weiß ich auch, dass ihr uns stolz machen werdet. Noch einmal, willkommen am Friedrich Ludwig Jahn Sportgymnasium!" Fast sofort sprang die ganze Turnhalle auf und auch die Cheerleader begannen zu hüpfen und gleich wieder zu vergessende Slogans zu rufen. "Was denkst du?", fragte derweil plötzlich Vicky, die nichts von allem mitbekommen hatte, aber zum Glück war die Frage nur rhetorisch, denn sie beantwortete sie gleich selbst, "Ich denke nicht, dass sie uns hier wie eine Firma voller Angestellter führen sollten. Wir sind Teenager, unsere kleinen Gehirne sind noch nicht fertig und unsere winzigen Aufmerksamkeitsspannen zu hinderlich. Sieh dir Hypergirl dort drüben an, ... ich meine, ich denke auch, wass wir für unsere Leistung Verantwortung zeigen sollten ... denk' nur an Aishe Davoglu ... obwohl, wie solltest du ..." ___________________________________ Der brünette Engel wartete, umgeben von einer Gruppe kichernder Mädchen und ein paar Jungs, die ihre Aufmerksmkeit erregen wollten an der Treppe des Ausgangs auf Jelena. Es war offensichtlich, dass sie Teil der Schulprominenz war und obwohl Jelena als Jungschauspielerin selbst einige Fans gehabt hatte, war sie nie populär gewesen und beneidete die Brünette etwas, obwohl so im Mittelpunkt zu stehen, ihr eigentlich gar nicht zusagte. Sie musterte unwillentlich und erkannte, dass sie ein braunes Oberstufenhalstuch und einen entsprechende Kennkarte trug. "Du bist neu hier?", fragte sie plötzlich, ihr Gespräch mit den anderen unterbrechend, als Vicky und Jelena sie passierten, "Ich würde dich gerne wiedersehen, Jelena." Jelena schluckte nur bei soviel unerwarteter Aufmerksamkeit und auch die Gruppe um die Brünette wurde still, so dass die Fünfzehnjährige errötete. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, so peinlich war ihr die unkontrollierte Aufmerksamkeit, aber die andere hatte sich bereits abgewandt und verließ mit ihrer Entourage die Treppe und lief Richtung der Cafeteria. Vicky schubste Jelena derweil an die Schulter. "Hey.", sagte sie lachend, "Woher kennst du sie?" Jelena starrte leer zurück. "Wen?" Vicky verdrehte lachend die Augen. "Na sie da.", sagte sie halb vorwurfsvoll und nickte in Richtung der abziehenden Clique der Brünetten, "Katharina. Katharina Wien." "Ich ...", stammelte Jelena nur hilflos und ihre Begleiterin fühlte sich zu einer Erklärung bemüßigt und hakte sie unter dem Arm ein. "Das ist Katharina Wien, die Königin des Jahn Sportgymnasiums.", sagte sie dozierend und Jelena hinter sich herziehend, "Sie ist das Zentrum aller sozialen Aktivitäten. Kennt alle, bewegt alle. Das Top-Partygirl schlechthin. Ihre Mutter sitzt im Stadtrat und im Aufsichtsrat der Schule. Sie war eine der Hauptunterstützerinnen der Schule und manche sagen Asilida ist hier, weil Katharina hier ist, oder besser gesagt ihre Mutter. Wie auch immer, in Katharinas Gunst zu stehen ist wie eine goldene Fahrkarte zur Popularität. Jedenfalls so lange, wie dir die Wartungskosten für die Schleimer in ihrem Anhang nicht zu hoch sind. Du bist sicher, dass ihr euch nicht schon mal begegnet seid?" Jelena schüttelte den Kopf. "Nein. Und ich brauch' keine schleimigen Freunde.", sagte sie und dachte nur, dass das erst recht für Flittchen galt, die sich in aller Öffentlichkeit masturbierten. ___________________________________ Der brünette Engel wartete, umgeben von einer Gruppe kichernder Mädchen und ein paar Jungs, die Aufmerksmkeit erregen wollten an der Treppe des Ausgangs. Es war jetzt offensichtlich, dass sie Teil der Schulprominenz war und obwohl Jelena als Jungschauspielerin selbst einige Fans gehabt hatte, war sie nie populär gewesen und beneidete die Brünette etwas, obwohl so im Mittelpunkt zu stehen, ihr eigentlich gar nicht zusagte. Sie musterte sie unwillentlich und erkannte, dass sie ein braunes Oberstufenhalstuch und einen entsprechende Kennkarte trug. "Du bist neu hier?", fragte sie plötzlich, ihr Gespräch mit ihren Bewunderen unterbrechend, als Viktoria und Jelena sie passierten, "Ich würde dich gerne wiedersehen, Jelena." Jelena schluckte nur bei soviel unerwarteter Aufmerksamkeit und auch die Gruppe um die Brünette wurde still, so dass die Fünfzehnjährige errötete. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, so peinlich war ihr die unkontrollierte Aufmerksamkeit, aber die andere hatte sich bereits abgewandt und verließ mit ihrer Entourage die Treppe und lief in Richtung des kleinen Parks. Viktoria schubste Jelena derweil an die Schulter. "Hey.", sagte sie lachend, "Woher kennst du sie?" Jelena starrte leer zurück. "Wen?" Viktoria verdrehte lachend die Augen. "Na sie da.", sagte sie halb vorwurfsvoll und nickte in Richtung der abziehenden Clique der Brünetten, "Katharina. Katharina Wien." "Ich ...", stammelte Jelena nur hilflos und ihre Begleiterin fühlte sich zu einer Erklärung bemüßigt und hakte sie unter dem Arm ein. "Das ist Katharina Wien, die Königin des Jahn Sportgymnasiums.", sagte sie dozierend und Jelena hinter sich herziehend, "Sie ist das Zentrum aller sozialen Aktivitäten. Kennt alle, bewegt alle. Das Top-Partygirl schlechthin. Ihre Mutter sitzt im Stadtrat und im Aufsichtsrat der Schule. Sie war eine der Hauptunterstützerinnen der Schule und manche sagen Asilida ist hier, weil Katharina hier ist, oder besser gesagt ihre Mutter. Wie auch immer, in Katharinas Gunst zu stehen ist wie eine goldene Fahrkarte zur Popularität. Jedenfalls so lange, wie dir die Wartungskosten für die Schleimer in ihrem Anhang nicht zu hoch sind. Du bist sicher, dass ihr euch nicht schon mal begegnet seid?" Jelena schüttelte den Kopf. "Nein. Und ich brauch' keine schleimigen Freunde.", sagte sie und dachte nur, dass das erst recht für Flittchen galt, die es sich in aller Öffentlichkeit selbst machten. Viktoria nickte nur verstehend und nach einigen weiteren Minuten Mädchensmalltalks verabschiedeten sie sich voneinander, denn Jelenas neue Bekanntschaft war noch mit einigen Freunden verabredet, während sie sich noch für den Schwimmkurs anmelden wollte. Jelena blickte ihr kurz hinterher und ging dann in die andere Richtung. Sie war ganz froh, denn sie wollte sich noch alles in Ruhe ansehen, bevor morgen der Unterricht losging. Und wenn dabei niemand mitbekam, wie sie hier tolpatschig herumirrte, wie Freunde sie oft beschrieben, um so besser. Zuerst wollte sie dabei schauen, wo die Schwimmhalle lag und vielleicht auch Schwimmen. Denn sie liebte Schwimmen. Laut dem kleinen Plan auf einem der Flyer, den ihr Frau Jansen mitgegeben hatte war das Schwimmhalle rechts neben dem Verwaltungsgebäude, doch sie verirrte sich trotzdem, denn ein Stacheldrahtzaun versperrte ihr den Weg, so dass sie beschloss, durch das düstere Verwaltungsgebäude zu gehen. Sie überlegte, ob sie Marie fragen sollte, aber das Foyer, wo sie vor wenigen Stunden angekommen war, lag jetzt ebenso verlassen da, wie der Tresen in der Schneiderei. Sie ging daher weiter durch den leeren Gang, als sie in der Ferne eine Tür halboffen stehen sah. Vielleicht war dort jemand, den sie fragen konnte, überlegte sie und tatsächlich hörte sie leise Stimmen. "... Fräulein Wien.", sagte eine strenge Männerstimme, die sie als die von Direktor Brandt erkannte, "Ich glaube nicht, dass ich dieses Verhalten toleriereren werde." Jelena erstarrte als sie den Namen Wien hörte. Es musste dieses Mädchen aus der Turnhalle sein und dann hörte sie auch ihre Stimme. "A-aber ich ... ich hab doch nur zugehört.", kam es erstaunlich kleinlaut für jemanden, der angeblich so weit oben in der Hierarchie der Schule stehen sollte. "Tatsächlich?", fragte der Direktor leise, aber so deutlich betont, dass man ihn gerade noch verstand. Jelena schlich jedoch neugierig noch ein Stück näher heran, so dass sie durch den schmalen Spalt zwischen Tür und Angel hindurchsehen konnte. "Wirklich.", sagte Katharina jetzt und Jelena sah, wie sie nervös vor dem einen halben Kopf größeren Direktor stand, der mit dem Hintern gegen die Tischkante eines großen Schreibtisches gelehnt war, "Ich hab nichts gemacht." "Sich vor 400 Schülern und Lehrern selbst zu befriedigen ist nichts?!", zischte Brandt jetzt wütend, "Das ist völlig inakzeptabel! Ausgerechnet du!" Es gab einen Moment Schweigen und die junge Frau vor seinen Augen wurde rot. "I-ich ... es tut mir Leid.", druckste sie verlegen heraus, "Ich weiß nicht, was über mich kam. Ich dachte, mich würde keiner sehen." "Du weißt verdammt gut, dass dich jemand gesehen hat!", entfuhr es Brandt, "Die Neue hat alles mitgekriegt. Ausgerechnet eine von denen! Ich hab' den Ausdruck in ihrem Gesicht deutlich gesehen!" Jelena glaubte sich verhört zu haben und klammerte ihren Beutel mit dem Schwimmzeug automatisch fester, blieb aber wo sie war. "Die Kleine?", kam es nur etwas herablassend aus Katharinas Mund, "Sie wird nichts sagen ... sie saß da, wie ein scheues Reh nachts im Scheinwerferkegel." Jelena stockte der Atem, wie gerade über sie geredet wurde. Es klang fast so, als ob das Problem hier sie wäre und sie wich einen Schritt zurück, dass die beiden aus ihrem Blickfeld verschwanden, aber noch hörbar waren. "Und wenn doch!?", fragte Brandt sauer und man hörte ein dumpfes Klatschen und ein Ächzen, dass Jelena zusammenzucken ließ, "Der Punkt ist, sich ... nicht ... erwischen zu lassen. Man erwartet von dir, ein Mindestmaß an Selbstkontrolle aufzubringen. Ich erwarte mehr von dir. Deine Mutter erwartet mehr von dir. Haben wir uns verstanden?!" Die große angeblich hier so weit oben stehende Katharina klang jetzt wie ein gemaßregeltes kleines Kind. "Ja, Herr Brandt, ich werd' mich zusammenreißen." Doch den letzten Satz hörte Jelena schon gar nicht mehr. Sie lief so schnell und leise wie möglich mit klopfendem Herzen, sich immer wieder ängstlich umblickend davon, wobei sie jedoch mit einem Mülleimer zusammenstieß, der unfassbar laut krachend über den Flur rollte. Jelenas Augen wurden groß und sie begann zu rennen, hin zur Tür und hinaus, wobei sie bei einem letzten Rückblick noch Marie aus der Tür zu dem Computerraum hinter ihrem Schreibtisch herauskommen zu sehen glaubte. Drinnen kam derweil Georg Brandt gefolgt von Katharina aus dem Büro heraus. Mit düster blickenden Augen sah er über den Gang und zu dem noch leise wackelnden Metalleimer. "Ich dachte doch, ich hab was gehört.", sagte Katharina mit besorgtem Blick und schaute zum Foyer, wo man jetzt ratlos kopfschüttelnd Marie stehen sah. "Was?! Warum hast du mir das nicht gesagt?", zischte Brandt. "Ich dachte doch Marie ist vorne.", entfuhr es der Schülerin und sie wollte noch etwas sagen, doch was immer es war, es erstarb in einem Knall, als ihr der Direktor eine schallende Ohrfeige gab, die sie gegen die Wand fliegen ließ. "Aauahh ...", stöhnte sie auf und hielt sich die rot anlaufende Wange, während Brandt hastig zu Marie eilte, die mit gesenktem Kopf einfach nur da stand. "Wo warst du?", herrschte er die junge Brünette an, doch diese zuckte nur ängstlich mit den Schultern. "Ich hatte mit dem Computer zu tun.", druckste sie und duckte sich ängstlich, als ob er sie gleich schlagen würde. "Hast du gesehen wer es war?" Marie nickte eingeschüchtert. "I-ich glaub die Neue." ___________________________________ 3. Schwimmhalle Jelenas Herz schlug immer noch heftig als sie wenig später endlich an dem großen Gebäude der mitten im Wald gelegenen Schwimmhalle ankam. Es war eine beeindruckende Stahl und Glaskonstruktion, wie auch schon einige der anderen Gebäude und die Fünfzehnjährige fragte sich, woher das Geld für die ganzen Neubauten gekommen war. Alles sah nicht viel älter aus, als ein paar Jahre, aber mehr noch beschäftigte sie das Ereignis mit dem Direktor und dieser Katharina. Was stimmte nicht mit dem Mann, dachte sie, doch schließlich schob sie den Gedanken beiseite und betrat das Gebäude. In der Entfernung sah man einige Schüler in den dunkelblauen Schulbadeanzügen und ziemlich gewagt knappen Slips bei den Jungs durch eine Tür verschwinden, die offenbar zu den Becken führte. Sie zuckte mit den Achseln und ging zu einer Art Glasbude, in der ein Junge in Schuluniform saß, der sie interessiert anschaute. Sie erklärte ihm was sie wollte und trug sich für den Schwimmkurs ein. Dann wollte sie eigentlich wieder gehen, denn der Junge hatte ihr gesagt, dass entgegen dem was sie geglaubt hatte, doch schon Vorunterricht stattfand. Aber als sie wieder gehen wollte, hörte sie jemand zu ihr herüberrufen. Sie drehte sich um und sah eine gedrungene kräftige Frau mit harten Gesichtszügen und kurzen Haaren vor der Tür zur eigentlichen Schwimmhalle stehen. "Wo bleibst du?", rief sie energisch mit rauer Stimme und blickte auf eine große Uhr an ihrem Arm, "Zuspätkommen tolerieren wir hier nicht!" Jelena wäre am liebsten abgehauen, doch die strenge Enddreißigerin sah nicht aus wie jemand, mit dem man spaßen konnte und der Gedanke, es sich hier gerade vielleicht mit ihrer späteren Sportlehrerin zu verscherzen, gefiel ihr nicht sonderlich. Sie atmete durch und ging zügig zu der Frau, die daraufhin durch die Tür in die Halle verschwand. Die mit ihrer Kennkarte zu öffnenden Umkleidekabinenen waren direkt in einen langen Quergang vor der Tür und es dauerte nicht lange und sie hatte eine leere gefunden. Sie zog die Tür zu und begann sich zu entkleiden. Als sie bis auf die Kennkarte an dem Schlüsselband um ihren Hals nackt war, nahm sie den zweiteiligen Badeanzug aus ihrem Beutel. Sie hatte ihn in ihrem Zimmer nur kurz in der Hand gehalten, aber jetzt merkte sie das erste Mal, wie eng das ebenfalls in den Schulfarben gehaltene Höschen und Oberteil waren. Es fühlte sich an wie eine zweite Haut, war jedoch elastisch genug, so dass es leicht anzulegen war. Alles saß tatsächlich wie eine zweite Haut. Absolut perfekt, wie alles, was sie bis jetzt in der Schneiderei bekommen hatte. Man konnte fast vergessen, dass man überhaupt etwas trug und außerdem sah sie ihre Nippel durch den zwar blickdichten, aber relativ dünnen Stoff hindurchdrücken. Und genau darüber war das Schullogo und ihr Name, sowie die olbigatorische Nummer aufgedruckt. Die Schülerin wurde rot, aber sie wollte sich keinen Ärger einhandeln und schlüpfte in ihre Flipflops und verließ mit ihrem Handtuch und der Seife die Umkleidekabine. Sie ging hinüber, wo sie die Duschkabinen ausgezeichnet sah und nur etwas später ging sie frisch geduscht in die Schwimmhalle. Die Halle war wirklich ein architektonisches Wunder. Ein riesiges Becken in olympischer Größe mit kristallblauem Wasser breitete sich vor ihr aus und Jelena konnte nicht anders als zu staunen. Sie wusste, dass die gesamte Konstruktion nicht älter als drei Jahre alt war und alles roch sogar neu. Sie sah derweil eine Anzahl von Schülern in ihrem Alter, die bereits im Wasser schwammen, während die Frau mit den strengen Gesichtszügen an der Beckenkante stand. "Schön, dass sie auch kommen konnten, Frau Herrmann.", sagte sie zynisch und Jelena fragte sich, woher sie ihren Namen kannte. "Ich ... ich hab' mich verlaufen.", entschuldigte sie sich jedoch einfach, da sie nicht fand, dass jetzt der richtige Zeitpunkt war, um das Mißverständnis aufzuklären. Sie hasste Mißverständnisse. "Wie auch immer.", sagte die Frau in ihrer rauen unangenehmen Stimme, "Ich bin Frau Krohn, die Schwimmtrainerin. Und es ist meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass dich in die Nähe von Wasser begeben kannst, ohne zu ertrinken oder mich zu beschämen. Ich gehe davon, dass du grundsätzlich schwimmen kannst, also spring rein und schwimm ein paar Bahnen Brust. Dann sehen wir weiter." ___________________________________ Als Trainerin Krohn sie endlich entließ, fühlte sich Jelena als ob sie am ganzen Körper Muskelzerrungen hatte. Sie spürte Muskeln, von denen sie gar nicht geglaubt hatte, dass sie sie überhaupt haben würde und sie kletterte erschöpft aus dem Wasser, um sich abzutrocknen. Allen schien es ähnlich zugehen und kaum jemand redete, außer wenn einige Mädchen zu den ein paar Meter entfernten Jungs hinübergrinsten. Es war etwas peinlich, wie die Jungs herüber schauten, doch Jelena fühlte sich gut in dem Zweiteiler. Er war zwar elegant geschnitten, aber nicht freizügig, so dass sie nicht das Bedürfnis verspürte, sich ständig zu bedecken, während die knappen Badeslips der Jungs dagegen viel deutlicher zeigten, was einige von ihnen zwischen den Beinen hängen hatte. Es war besser als bei den idiotischen knielangen Shortsbadehosen, die sonst so in Mode waren, dachte die Fünfzehnjährige und verkniff sich ein Kichern. Es war das erste Mal, dass sie sich wirklich gut fühlte seit sie hier war. ___________________________________ Nachdem Jelena wieder in ihr leeres Quartier zurückgekehrt war, verbrachte sie einige Zeit damit, ihre Sachen einzuräumen. Die Konstruktions des Zimmers mit dem offenen WC und Badteil, der nur durch eine Glasscheibe abgetrennt war, irritierte sie immer noch etwas. Und auch die Sache mit Direktor Brandt und dieser Katharina ging ihr nicht aus dem Kopf. Aber schließlich legte sie sich müde vom Schwimmen geworden hin, als nach wenigen Minuten jedoch Alexandra zurückkam. "Hey.", sagte sie lachend und setzt sich vergnügt auf ihr Bett, "Was hört man von dir, du bist Schauspielerin?" Jelena drehte sich auf die Seite zu Alex und nickte schwach. "Ist das schon Schultratsch?", fragte sie dann, doch Alex schaute nur komisch. "Wieso Tratsch? Das ist doch interessant, dass wir jemand wie dich hier haben." "Boahhh, jemand wie mich.", echote Jelena amüsiert und grinste, "Schauspieler bei Schloss Einstein ist doch nichts besonderes." Alex zuckte mit den Schultern und schwieg einen Moment. "Wie ist es denn so?" "Hm.", machte Jelena, "Es ist oft stressig wegen dem ganzen Text lernen und so weiter, aber der Spaß am Set ist umso größer. Hast du's mal gesehen?" "Nein, ich fand das immer albern." Die beiden lachten. "Ich auch. Aber man lernt auch coole Leute kennen, wie Josefine Preuß zum Beispiel. Die ist echt super." "War sie auch mal Einsteinmädchen." "Ja, am Anfang, aber ich hab' sie erst später kennengelernt.", sagte Jelena und wurde auf einmal ernst, "Aber sag' mal, kennst du eigentlich Katharina Wien?" "Unser ultraangesagtes Oberpartygirl? Sie ist in der K13 und ich kenn sie nur vom sehen. Ist auch nicht meine Kragenweite. Wieso?" Jelena überlegte, ob sie Alex von dem Ereignis in der Turnhalle und im Verwaltungsgebäude erzählen sollte, doch sie wollte nicht zu genau werden. "Wir haben uns vor der Turnhalle getroffen und ich glaub', sie kannte mich." "Vielleicht vom Fernsehen." Jelena nickte. Wahrscheinlich war das die Ursache und sie fühlte sich gleich etwas besser und schalt sich, dass sie nicht gleich daran gedacht hatte. Sie begann zu lachen. "Was haben wir eigentlich morgen?" "Deutsch, Musik und Geo. Und dein Kursfach. Dienstag ist immer Kurstag." Jelena richtete sich auf und nickte. Deutsch und Musik waren ihre Lieblingsfächer, aber Geo war ihr Hassfach. "Klingt bis auf Geo ganz gut.", sagte sie nachdenklich und blickte aus dem Fenster. "Magst du Geo nicht?" "Nee.", lachte Jelena, "Total nicht. Und du?" Die andere zuckte mit den Schultern. "Geo ist mir egal.", sagte sie, "Aber Musik mag ich und Bio und Kunst. Ich hasse Mathe, Physik und Chemie eigentlich alle naturwissenschaftlichen Fächer." "Na das sind ja einige.", sagte Jelena und grinste, "Bist du dir sicher, dass du hier richtig bist?" "Hm, keine Ahnung. Es gibt immer genug zu essen und zu trinken. Und seit ich hier bin, nutze ich meine Zeit sinnvoller." "Wow, wie selbstkritisch." Alex lachte auf und strich sich nachdenklich durch ihre langen braunen Locken. "Manchmal schon. Besonders wenn man hier in dieser abgefuckten Eliteanstalt mit den ganzen verwöhnten Streberkindern abhängen muss." "Die machen viel, ohne dass sie es müssten, oder?" Alex nickte. "Ja, wieso?" "Ich bin voll in Frau Krohns Zusatzschwimmunterricht reingerutscht.", erzählte Jelena und grinste, "Ich dachte, dass morgen erst alles losgeht. Mir tut jetzt noch alles weh." Alex lachte. "Deswegen bist du so müde.", sagte sie mitleidig, "Ich hab mich schon gewundert. Und ja, sie kann echt fies sein, hab ich gehört." "Pahh.". machte Jelena demonstrativ und erinnerte sich an die letzten Worte ihrer Mutter beim Abschied, "Wenn sie mir blöd kommt, ruf ich meinen Anwalt an." "Deine Mom?", fragte Alex und Jelena nickte breit grinsend. "Jepp.", sagte sie und griff nach ihrem Handy, "Sie ist Anwältin." "Na viel Spaß mit dem Ding.", sagte Alex jedoch nur, "Aber die funktionieren hier nicht." Der Fünfzehnjährigen fiel wieder ein, was Marie beim Anmelden gesagt hatte. Keine Handys und elektronischen Geräte. "Wieso?", entfuhr es ihr jedoch und sie schaute auf ihr Handy, dessen kleiner Bildschirm tatsächlich keinen Empfang anzeigte. Sie sprang auf und lief durch das Zimmer, aber der Verbindungsbalken zeigte weiterhin kein Netz. "Weil sie's blocken oder so.", erklärte Alex grinsend, "Wir sollen nicht abgelenkt werden. Steht alles in dem Flyer. Darum gibt's Computer und Internet auch nur im Computerraum hinten oder in den Klassenräumen." Jelena konnte es nicht fassen. Sie hatte die Worte von Marie nicht vergessen, aber sie hatte nicht gedacht, dass die Leute hier so restriktiv waren und diese Regel auch tatsächlich durchsetzten. "Das ist doch irre.", sagte Jelena und schüttelte den Kopf, "Das ... Das können die doch nicht machen." "Komm wieder runter, Kleines.", sagte Alex nur schulterzuckend, "Man gewöhnt sich dran." Jelena wollte sich nicht daran gewöhnen. Sie hatte vielleicht nicht so viele Freunde, aber ohne eigenes Telefon zu sein, erschien ihr unvorstellbar. "Ja und wenn ich mal telefonieren muss?!", entfuhr es ihr. "Dann telefonierst du eben. Die haben hier Internettelefonie über die Computer." "Aber ich will in Ruhe telefonieren. Wo keiner es mitkriegt!" "Tut mir Leid.", sagte Alex, "Aber so ist das hier nun mal. Ich meine, du kannst ja nach einer Sondergenehmigung fragen. Aber lass sie nicht dein Handy und den MP3-Player sehen, sonst kriegst du Strafpunkte, weil du's nicht vorne abgegeben hast." Es wurde immer besser, dachte Jelena unglücklich und tat das Handy in die Schublade ihres Nachttischchens. Das Frau Jansen es vielleicht über die Kamera sehen würde, fehlte ihr gerade noch. Und sie hatte gerade die Schublade verschlossen, als der Beamer auf einmal tatsächlich anging und das Bild eines Mannes in weißer Uniform auf die Glasplatte projizierte. Nach einer anfänglichen Schrecksekunde stellte er sich lediglich jedoch als der Chefkoch des Internats heraus, der sie nur darüber informierte, dass es in einer Stunde Essen in der Cafeteria geben würde. Frustriert erhob sich Jelena von ihrem Bett, um in diesem Computerraum zum telefonieren zu gehen. Anscheinend war das hier heute ihr letzter freier Tag, dachte sie sauer und verschwand mit einem ärgerlichen Seitenblick zu Alex aus dem Zimmer. ___________________________________ Das Telefonat über den Computer und ein Headset mit Mikrofon mit ihren Eltern im Computerraum war technisch gesehen problemlos verlaufen, doch natürlich war das Gespräch nicht frei von Spannungen geblieben. Jelena fühlte sich hintergangen und deswegen war das Telefonat eher als sie geplant hatte, zu Ende gewesen. Unzufrieden war sie zurückgekehrt, wo Alex bereits auf sie wartete, um ihr mitzuteilen, dass ein Mädchen aus der K12 eine kleine Party auf ihrem Zimmer geben würde. Alex hatte nicht vorgehabt mitzugehen und sich lieber noch durch die Flyer von Frau Jansen mit den Schulregeln arbeiten wollen, doch Alex hatte darauf bestanden, dass Jelena sich nicht zum Außenseiter machte. So war sie schließlich mitgegangen und da sie Mädchenabende, rumalbern und Süßigkeiten eigentlich auch mochte war es tatsächlich ganz nett gewesen. Es hatte sich auch herumgesprochen, dass sie Schauspielerin bei Schloß Einstein gewesen war und obwohl die meisten die Serie nie gesehen hatten und nur ein Mädchen sie tatsächlich dort erkannt hatte, fanden es alle irgendwie cool und Jelena musste viel erzählen. Aber irgendwann wurde es ihr dann doch zuviel, denn auch wenn es wegen der Schulregeln keinen Alkoholauf dem Schulgelände gab, gestaltete sich die ganze Sache je später es wurde, immer hemmungsloser. Erst war eine Schülerin mit dem einzigen anwesenden Jungen verschwunden und später hatten sich zwei Mädchen mit orangenen Halstüchern in eine Ecke des dafür eigentlich viel zu kleinen Zimmers verzogen und hemmungslos zu küssen begonnen. Grundsätzlich hatte Jelena kein Problem damit, aber die als die beiden schließlich mit ihren Händen immer wilder über ihre schönen Körper gefahren waren, war Jelena immer verlegener geworden. An ihrer alten Schule gab es auch zwei oder drei lesbische Mädchen, aber die blieben unter sich und zeigten es kaum, um sich nicht dem Spot auszusetzen. Hier dagegen schien es überhaupt keinen zu irritieren, außer Jelena. Es wurde etwas zu viel für das zurückhaltende Mädchen und als sie bemerkte, wie die eine, eine Blonde mit großem Busen, der anderen, ihre Hand langsam unter den Rock schob und sie offensichtlich zu fingern begann, hatte sie sich mit Müdigkeit entschuldigt und war gegangen. Das war nicht einmal gelogen. Die fünfzehnjährige war todmüde und schläfrig über den jetzt leeren Gang getrottet, als sie plötzlich dieses leise Stöhnen aus dem Aufenthaltsraum der zweiten Etage gehört hatte. Der jungen Schülerin war sofort klar gewesen, was es war, aber ihren schnell gefassten Vorsatz bloß nicht in den türlosen Raum, den sie passieren musste, hineinzusehen, schaffte sie nicht durchzuhalten. Sie blickte hinein und sah den schlanken Rücken des mit freiem Oberkörper dastehenden Jungen von der Party, der sich offensichtlich über das leise keuchende Mädchen herüberbeugte, welches mit weit gespreizten nackten Beinen rücklings auf der Tischtennisplatte lag. Es war das erste Mal, dass Jelena Menschen beim Sex nicht nur hörte, wie bei ihren Eltern, sondern es auch sah und der Anblick der leicht wippenden schlanken Beine des Mädchens und der zitternden weißen Pobacken des Jungen, während de rhythmisch seinen nackten Unterleib gegen ihre Schritt presste, brannte sich in ihren jungen Verstand. Es waren dabei nur Sekunden, bis sie an der Tür vorbei war, aber das Bild blieb auch, als sie endlich in ihrem Zimmer angekommen war. Schließlich verdrängte sie es jedoch und war, froh darüber allein zu sein, nur noch schnell noch auf die ja nicht abschließbare und ihr furchtbar offen vorkommende Toilette gegangen. Danach hatte sie eine kurze Katzenwäsche vorgenommen und war in ihr Bett gefallen und auch recht bald einge schlafen. Doch irgenwann später wurde sie geweckt. Schläfrig räkelte sie sich in ihrem Bett und sah Licht durch die leicht beschlagene Glaswand des Badbereichs fallen. Man hörte Wasser prasseln und dann sah sie auch Alex' nackten Körper unter der Dusche, nur durch die Milchglasstreifen etwas verhüllt. Sie seifte sich dort gründlich ab und Jelena wurde verlegen, war aber schlagartig wach. Zudem hatte sie einen Moment lang wieder diesen komischen aromatisch-süßlichen Geruch, den sie schon im Verwaltungsgebäude und der Schneiderei wahrgenommen hatte, in ihrer Nase. Es verflog zwar gleich wieder, aber trotzdem war es nicht zu ignorieren und Jelena ertappte sich dabei, wie sie Alex nackten Körper anstarrte. Sie hatte eine tolle Figur, doch Jelena riß sich, verlegen über sich selbst, von dem Anblick los und versuchte wieder einzuschlafen. Doch sie konnte einfach nicht und blieb wach. Alex schien derweil fertig zu sein, denn das Wasser ging aus und man hörte, wie sie sich abtrocknete und mit nassen Füßen durch das Bad tappste. Offensichtlich zur Toilette, denn man hörte jetzt den Deckel und schließlich den scharfen Strahl ihres Urins und dazu ein erleichtertes Seufzen und dann ein Kichern. Danach hörte man den Deckel fallen und wie sich Alex die Hände wusch. Danach kam sie aus dem Bad und legte sich mit einem leisen Ächzen in ihr Bett. Jelena wurde im Dunkeln knallrot, denn sie hatte bei einem kurzen Blinzeln gesehen, dass Alex splitternackt war. Sie schloß erneut schnell die Augen und hielt still, bis Alex plötzlich zu kichern begann. "Jellie?", fragte sie dann und man hörte, wie sie sich zu ihrer neuen Zimmernachbarin umdrehte. Jelena erstarrte, antwortete aber nicht, doch ihre Mitbewohnerin ließ nicht locker. "Jellie.", sagte sie offensichtlich grinsend und richtete sich auf, "Ich weiß, dass du nicht schläfst. Schlafende atmen normal, aber du atmest nicht." Jelena wurde noch röter und versuchte weiter zu still zuhalten. Wenn sie jetzt aufgab, würde sie auffliegen, doch Alex begann zu lachen. "Pass auf, dass du nicht erstickst.", sagte sie kichernd und Jelena spürte plötzlich eine sanften Stubs gegen ihr Bein. Wenn die Betten bloß nicht so dicht stehen würden, dachte sie kläglich und gab ein mißmutiges Geräusch von sich. "Was?", entfuhr es ihr ärgerlich, "Ich will schlafen." "Ich wollte nur wissen, ob es dir gut geht.", sagte Alex fürsorglich, "Du bist einfach abgehauen." Jelena verdrehte im Dunkeln die Augen. "Ich war müde." Alex gab ein zustimmendes Geräusch von sich. "Hm, ich dachte, es war wegen Henrieke und ihrer Freundin." Jelena wusste sofort, wen Alex meinte, doch sie tat ahnungslos. "Wer?" Alex kicherte. "Henrieke Fritz.", sagte sie spöttisch, "Aus der K11. Die Schauspielerin werden will. Du hast doch mit geredet." "Sie wollte Ärztin werden.", stöhnte Jelena etwas genervt, doch Alex ignorierte es. "Schauspielerin oder Ärztin.", lachte sie, "Aber schön, dass du dich doch erinnerst." Natürlich erinnerte sich Jelena. Henrieke hatte neben ihr gesessen, als diese plötzlich, fast mitten im Gespräch, angefangen hatte, mit dem Mädchen neben ihr rumzumachen. "Ja, ok, tue ich.", entfuhr es ihr, "Na und?" Alex schien kurz etwas beleidigt, doch dann grinst sie wieder. "Findst du sie hübsch?" Jelena war irritiert über die Frage. Henrieke war sehr hübsch. Eigentlich ein totaler Männertraum mit ihren blauen Augen und dem langen blonden gewellten Haaren, die ihr wunderschönes Puppengesicht mit der hohen Stirn einrahmten, doch sie verstand die Frage nicht. "Ja.", sagte sie dann, "Na und?" "Ich find sie auch hübsch.", sagte Alex plötzlich für ihren Charakter ungewohnt nachdenklich, "Sie ist süß." "Kann ich nicht beurteilen.", murmelte Jelena, "Magst du sie etwa?" Man hörte ein zustimmendes Geräusch von Alex. "Hast du mal darüber nachgedacht, wie es mit einem Mädchen ist?" Jelena war etwas geschockt. Sie hatte noch nicht mal einen Freund gehabt und war ganz sicher nicht lesbisch. "Nein.", sagte sie knapp, "Hab' ich nicht. Du etwa?" Man hörte Alex rascheln. "Irgendwie, ja.", sagte sie immer noch nachdenklich, "Früher nicht, aber seit ich hier bin, frag' ich mich das. Komisch, oder?" Na toll, dachte Jelena. Alex war erst ein paar Wochen hier und war anscheinend bisexuell geworden. Vielleicht wenig überraschend, wo hier so wenig Jungs waren, kaum mehr als ein Drittel und gleichzeitig so viele hübsche Mädchen. Trotzdem fand Jelena es merkwürdig und fragte sich, wie sie es hier vier Jahre mit einer verkappten Lesbe aushalten sollte und hätte das Gespräch am liebsten beendet, wusste aber nicht wie, ohne als gehemmt auszusehen. "Weiß ich nicht.", sagte sie darum nur. Eine Weile war Schweigen und Jelena hoffte bereits, dass Ruhe wäre, doch dann räusperte sich Alex noch einmal. "Magst du Kuscheln?" Jelena schluckte etwas geschockt. Dann drehte sich einfach nur von ihrer Mitbewohnerin weg und sagte etwas unverständliches, als wenn sie Alex' Worte nicht richtig mitgekriegt hätte. Das ging wirklich zu weit, dachte sie jedoch und zog sich das Kissen über den Kopf. Und wenige Minuten später war sie eingeschlafen. ___________________________________ Das peinlichste geschah jedoch am nächsten Morgen, als Jelena gegen viertel Acht von einem zuerst undefinierbaren Geräusch geweckt wurde. Einem leisen Rascheln des Bettzeugs oder des Lakens, was einfach nicht aufhören wollte und im Verlauf immer heftiger und lauter wurde. Halbwach lauschte Jelena stumm, was es war, doch als sich ein leises unterdrücktes und schweratmiges Stöhnen darunter mischte, begriff sie geschockt. Alex masturbierte sich. Immer lauter stöhnte ihre Mitbewohnerin dabei und Jelena hörte unglücklich, dieses typische leicht feucht-glitschende Geräusch. Es war einfach nur zum fremdschämen und Jelena spürte, wie sie feuerrot wurde und buchstäblich den Atem anhielt, bis ein leiser langezogener Seufzer ihr endlich signalisierte, dass es vorbei war. Jelena wartete noch einige Minuten, aber dann sprang sie auf und rannte, ohne ihre nackte, nur halb mit der dünnen Bettdecke bedeckte und versonnen grinsend da liegende Zimmergenossin zu würdigen ins Bad. ___________________________________ Die aktuellsten Versionen meiner Geschichten befinden sich stets unter dieser Adresse: http://asstr.org/~alphatier